Zeitschrift 

Der Landtag von
Baden-Württemberg

 

 

 

 

Heft 4/2004, 
Hrsg.: LpB



 

Inhaltsverzeichnis

C 

Wie entsteht ein Gesetz?

Beispiel: Das Gesetz zum Kopftuchverbot
an baden-württembergischen Schulen


C 1 Der Fall Ludin vor dem Bundesverfassungsgericht

 

 

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Fereshta Ludin bringt das Kopftuch vor das Verfassungsgericht

Fereshta Ludin wurde 1972 in Kabul als Tochter eines afghanischen Diplomaten geboren, in Deutschland lebt sie seit 1985 und ist mit einem zum Islam übergetretenen Deutschen verheiratet. Im Sommer 1998, sie hatte ihr Referendariat gerade mit der Note 1,8 beendet, bekam sie Post vom Oberschulamt Stuttgart. Ihr wurde mitgeteilt, sie könne nicht in den Landesschuldienst übernommen werden - sofern sie daran festhalte, vor der Klasse ein Kopftuch zu tragen. Die Entscheidung wurde bald darauf von der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (CDU) bestätigt. Begründung: Das Kopftuch werde innerhalb des Islam auch als Symbol für kulturelle Abgrenzung und damit als ein politisches Symbol gewertet. Ludin schaltete ihren Anwalt ein. Während sie nach Berlin zog, wo ihr eine islamische Grundschule eine Stelle angeboten hatte, begann sie sich durch den Instanzenweg zu klagen. ...

Vor drei Gerichten ist sie inzwischen gescheitert. Zuletzt, im Juli 2002, urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Berlin, muslimische Lehrerinnen müssten während des Unterrichts auf ihr Kopftuch verzichten - zumindest in Baden-Württemberg. Doch Fereshta Ludin ließ sich nicht beirren. Sie zog nach Karlsruhe. ...

Die Welt vom 24. September 2003 (Felix Müller)

 


C 2 Das Bundesverfassungsgericht urteilt

 

 

picture-alliance/dpa

Am 24. September 2003 verkündet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sein Urteil. Das höchste deutsche Gericht entscheidet, dass die Bundesländer muslimischen Lehrerinnen das Kopftuchtragen im Unterricht verbieten dürfen. Dazu müssen sie jedoch eine "hinreichend bestimmte" gesetzliche Grundlage schaffen. Diese fehle derzeit in Baden-Württemberg, so die Verfassungshüter. Das Land habe deshalb mit seiner Ablehnung, Ludin in den Schuldienst zu übernehmen, ihre Religionsfreiheit verletzt.

 


C 3 Jetzt geht der Kopftuch-Streit richtig los

Am Tag danach reiben sie sich die Augen. Dass das Bundesverfassungsgericht den Streit ums Kopftuch im Klassenzimmer beendet, wird keiner ernsthaft erwartet haben. Sein Urteil hat indes sehr viel mehr Verwirrung als Klarheit geschaffen.

Die Karlsruher Richter haben den Ländern zwar empfohlen, über Kopftücher per Gesetz zu entscheiden. Doch wegen der Neutralitätspflicht des Staates müssen bei einem Verbot auch andere religiöse Symbole bedacht werden. Zudem ist die Einschränkung der Religionsfreiheit nicht so einfach. Staatsrechtsprofessoren, die blumige Sprachbilder lieben ..., vergleichen Grundrechte gern mit Apfelsinen: Beim Schälen sollte man darauf achten, nicht ins Fruchtfleisch zu schneiden. So hat jede Beschränkung erforderlich und verhältnismäßig zu sein.

Mannheimer Morgen vom 26. September 2003 (Steffen Mack)


 


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