Zeitschrift Der Landtag von
Heft
4/2004, |
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RECHTE UND FUNKTIONEN DES LANDTAGSDas Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hat mit Artikel 20 die bundesstaatliche Ordnung zwingend vorgeschrieben. Die Gliederung des Staates in Bund und Länder als verfassungsrechtliches Organisationsprinzip ist mit einer Bestands- und Unantastbarkeitsgarantie festgeschrieben wie nur wenige andere Verfassungsnormen (Art. 79, 3 GG). Selbst mit einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit darf die Bundesstaatlichkeit nicht beseitigt werden. Auch die wichtigsten Kompetenzen der Länder müssen erhalten bleiben. Dies gilt sowohl für die Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes als auch für das Recht einer eigenständigen Landesgesetzgebung. Der Landtag ist ein demokratischer Ort politischen Interessenausgleichs und legislativen Entscheidens. Dabei ist das Landesparlament kein "Bundestag im Kleinen", sondern ein Parlament eigener Art, mit eigenen Rechten, Funktionen und mit einem eigenen Profil. Die wichtigsten Funktionen des Landtags sind:2 Gesetzgebungsfunktion Die Gesetzgebung ist die wichtigste Aufgabe der demokratisch gewählten Volksvertretung. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Recht des Landtags, über den Landeshaushalt und damit über die Verwendung der öffentlichen Gelder zu beschließen. Dieses Etatrecht wird deshalb auch das "Königsrecht" des Parlaments genannt. Das Gesetzesinitiativrecht steht generell den Abgeordneten, der Landesregierung und - durch Volksbegehren - dem Volk zu. In der Praxis macht jedoch die Regierung von ihrem Initiativrecht in weit größerem Umfang Gebrauch als das Parlament. Kontrollfunktion Vertrauen und Kontrolle sind in der parlamentarischen Demokratie eng miteinander verknüpft. Die Regierung braucht das Vertrauen der Mehrheitspartei(en) im Parlament. Andererseits ist sie hinsichtlich der Recht- und Zweckmäßigkeit ihres Handelns der Kontrolle des gesamten Parlaments unterworfen. Die Notwendigkeit einer wirksamen Parlamentskontrolle hat sich mit dem Bedeutungszuwachs der Regierung und der Verwaltung noch verstärkt. Dies hat dazu geführt, dass sich auch das Schwergewicht der Parlamentsarbeit - und hier vor allem der der Opposition - auf die Kontrolle der Regierung verlagert hat. Wahlfunktion In der Wahlfunktion des Landtags kristallisiert sich ein zentrales Merkmal der parlamentarischen Demokratie, denn die Regierung geht aus dem vom Volk gewählten Parlament hervor. Der Landtag wählt andere Verfassungsorgane des Landes. Dabei ist in Baden-Württemberg - anders als im Bund - die Rolle des Parlaments bei der Regierungsbildung nicht auf die Wahl des Regierungschefs begrenzt, auch wenn diese sicherlich im Mittelpunkt steht. Der Landtag bestätigt mit seiner Mehrheit auch das Kabinett als Ganzes sowie einzelne Minister, die im Laufe einer Wahlperiode vom Regierungschef neu berufen werden. Die Wahl- und Auslesefunktion des Landtags wird noch in weiteren Punkten deutlich. Das Parlament wählt die Mitglieder und den Präsidenten des Staatsgerichtshofs. Auch bei der Ernennung des Präsidenten des Landesrechnungshofs sowie des Landesbeauftragten für den Datenschutz ist die Zustimmung des Landtags erforderlich. Repräsentations- und Artikulationsfunktion Das Parlament repräsentiert die Meinungs- und Interessenvielfalt im Land. Die Parteien nehmen den Willen der Wählerinnen und Wähler auf, den die Abgeordneten als Parteienvertreter repräsentieren. Das Parlament hat damit Repräsentations- und Artikulationsfunktion, indem es den Willen der Bevölkerung zum Ausdruck bringt sowie Interessengegensätze und Konflikte ausgleicht und regelt. Öffentlichkeits- und Debattenfunktion Der Landtag hat die Aufgabe, in Rede und Gegenrede politische Themen zu debattieren. Das Plenum ist Forum politischer und öffentlicher Debatte. Neben den nichtöffentlichen Arbeitsbereichen der parlamentarischen "Werkstatt" steht das Plenum mit "Schaufenster-" oder "Bühnencharakter". Der Kern der Funktionen der Plenarsitzungen ist die "öffentliche Darstellung der zur politischen Entscheidung anstehenden Angelegenheiten des Gemeinwesens".3 Diese Funktion von Plenarsitzungen gilt es zu unterstreichen, denn hier geht es nicht darum, den politischen Kontrahenten argumentativ zu überzeugen. 2 Die funktionale Kategorisierung erfolgt weit gehend nach Wichard Woyke: Landtage, in: Uwe Andersen/Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Bonn (Leske + Budrich) 2000, S. 364-366. 3 Joachim Detjen: Parlamentsdidaktik - Grundsätzliche Bemerkungen über Exkursionen zum Bundestag, in: Politik unterrichten Heft I-II/2002, S. 20.
Da aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Parlament die Entscheidung in aller Regel feststeht, hat die Plenardebatte meist symbolischen Charakter. Sie dient nicht "der Suche nach, sondern der Legitimierung von Entscheidungen" (Joachim Detjen). Hier werden Mehrheitsentscheidungen vor der Öffentlichkeit gerechtfertigt oder in Frage gestellt, nicht aber eine ergebnisoffene Diskussion geführt. Dieser Diskurs findet in der Regel hinter verschlossenen Türen in den Fraktions-, Arbeitskreis- und Ausschusssitzungen statt. Der Landtag im Dialog mit der Öffentlichkeit Politik und Medien brauchen sich wechselseitig. Sie stehen sich weniger im Sinne einer Gewaltenteilung gegenüber, in der die Medien als "vierte Gewalt" agieren, sondern vielmehr in einem symbiotischen Tauschverhältnis. Politik braucht Kommunikationsmittel und nutzt die Massenmedien als öffentliche Bühne. Die Medien ihrerseits sind auf politische Informationen angewiesen. Das Landtagsplenum tagt öffentlich und steht somit der medialen Berichterstattung offen. Spätestens hier wird das Plenum mehr als nur die Plattform unterschiedlicher Meinungen und Interessen, sondern wichtiger Faktor der öffentlichen Meinungsbildung. Dem Parlament kommt hier - neben der Entscheidungsfindung - auch die Funktion der Informationsvermittlung und damit der Willensbildung nach außen zu. In der Mediengesellschaft entscheidet sich politischer Erfolg auch in der medialen Vermittlung. Demokratie und Kommunikation gehören eng zusammen, denn Politik ist "zustimmungsabhängig und begründungspflichtig".4 Wer politischen Einfluss ausüben und diesen legitimieren will, braucht dazu die Öffentlichkeit. Jedes demokratisch gewählte Parlament hat eine einheits- und identitätsstiftende Funktion, weil es Konflikte kanalisiert und in einem Legitimation schaffenden Verfahren regelt. Der Landtag kämpft dabei um das knapper werdende Gut Aufmerksamkeit, indem das parlamentarische Geschehen medialen Darstellungsregeln und -zwängen folgt. Als praktisches Beispiel: Ein Tagesordnungspunkt, über den am selben Tag noch in der "Prime Time" oder am nächsten Tag in der Presse berichtet werden soll, muss am Morgen behandelt werden, um rechtzeitig medial verarbeitet werden zu können. Dass dabei aus einer zweistündigen Debatte ein sechzig Sekunden dauernder Schlagabtausch zwischen dem Regierungschef oder den Fraktionsvorsitzenden bzw. den Oppositionsführern wird, ist den Akteuren am Rednerpult wohl bekannt. Sie wissen: Nur eine zentrale Aussage mit nicht mehr als zwanzig Wörtern oder ein einziger gut gesetzter "verbaler Treffer", am besten noch mit entsprechender Mimik und Gestik vorgetragen, findet - wenn überhaupt - den Weg in die Abendnachrichten. Was Nachrichten- und Unterhaltungswert hat, wird also von beiden Seiten bestimmt. 4 Vgl. Ulrich Sarcinelli: Demokratie unter Kommunikationsstress? Das parlamentarische Regierungssystem in der Mediengesellschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 43/2003, S. 39-46.
UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISEBaustein A beginnt mit der Vermittlung der bundesstaatlichen Ordnung Deutschlands und der Eigenstaatlichkeit seiner Länder (A 1 - A 3). Es folgt die Auseinandersetzung mit den Gesetzgebungszuständigkeiten im Bundesstaat und mit der Frage, welche Zuständigkeiten der Landtag hat (A 4 - A 8). In welchen Bereichen beschließt der Landtag Gesetze, die ganz konkret auch den Lebensbereich Jugendlicher betreffen (A 6 und A 7)? A 8 liefert ein Quiz zu den Zuständigkeiten der drei politischen Ebenen: Kommune, Land und Bund. A 9 stellt in einer Karikatur den Kompetenzverlust der Landespolitik gegenüber dem Bund und der EU dar. Die Materialien A 10 und A 11 führen über den Aspekt der Gewaltenteilung und über die Frage "Warum eigentlich Parlamente?", zur Auseinandersetzung mit der Gesetzgebungsfunktion des Landesparlaments. Wer hat das Recht, Gesetzesvorschläge in das Parlament einzubringen (A 12)? Warum wird das Etatrecht des Landtags das "Königsrecht" des Parlaments genannt (A 13)? Der Landtag kontrolliert Regierung und Verwaltung. Welche Kontrollinstrumente stehen den Abgeordneten dabei zur Verfügung? Die Materialien A 14 - A 16 schaffen den Zugang zu dieser Frage, während A 17 Beispiele von Anträgen aus den Landtagsfraktionen bringt. Über die Homepage des Landtags kann dieses Material aktuell ergänzt werden. Unter dem Menüpunkt "Dokumente" stehen hier - auch mit einer Volltextsuche versehen - aktuelle Anträge und Initiativen der Abgeordneten zur Verfügung. Die Materialien A 18 und A 19 stellen die parlamentarischen Kontrollinstrumente der "dringlichen Anträge" und der Untersuchungsausschüsse vor. Mit den Materialien A 20 - A 22 wird die Wahlfunktion des Parlaments erschlossen. Ein Quiz zur Frage "Wer wählt wen?" (A 23), schließt sich an. Anhand der Materialien A 24 - A 27 lässt sich die Repräsentationsfunktion des Landtags diskutieren. Welche Berufsgruppen sind im Landtag stärker vertreten als andere? Muss das Parlament die Sozialstruktur der Gesellschaft getreu abbilden? Die Karikatur A 27 dient als Einstieg in eine Diskussion. Das Parlament steht im Dialog mit der Öffentlichkeit. Vor allem die Debatten- und Artikulationsfunktion des Landtags wird im letzten Teil von Baustein A thematisiert (A 28 - A 31). Hier wird auch der enge Zusammenhang zwischen Parlament und Medien beleuchtet. Unter welchen Rahmenbedingungen arbeiten Medien und worüber berichten sie bzw. berichten sie nicht? Nach welchen Regeln und Mechanismen wählen sie aus? Die Materialien eignen sich sowohl als Unterrichtseinstieg als auch als Grundlage für eine Diskussion. Die Erziehung zum verantwortungsvollen Umgang mit Medien können sie aber nicht ersetzen (vgl. Politik & Unterricht Heft 1/2001, "Medien").
Projektvorschläge für Schülerinnen und Schüler
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