Zeitschrift DAS SCHÖNSTE LAND Historische Lieder aus Revolution und Restauration Heft 2-3/2001 , Hrsg.: LpB |
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"Wohin, Napoleon, wohin, wohin?"Napoleons russischer Feldzug Das erste Lied ("Wohin, Napoleon?") gibt die Stimmung während der französischen Besetzung wieder. Aufgezeichnet wurde es in Oberschafflenz durch die Liedersammlerin Augusta Bender, sie übernahm es von ihrer Mutter. Im Text wird Bezug genommen auf Maximilian I., König von Bayern. Das zweite Lied war weit verbreitet und geht in der vorliegenden Fassung auf eine Aufzeichnung aus Wurmlingen bei Tübingen zurück. Die Französische Revolution wurde von vielen Bewohnern des deutschen Südwestens mit großen Hoffnungen verfolgt. Als aber in der Folge der Revolutionskriege französische Truppen vordrangen und die napoleonische Herrschaft ganz Deutschland überzog, verflog die Begeisterung. Die Besatzer wurden zunehmend abgelehnt; dies verschärfte sich, als schließlich Landeskinder am russischen Feldzug Napoleons teilnehmen mussten. Die Verpflichtung bestand durch das Bündnis des württembergischen Königs mit dem Kaiser der Franzosen. 15.800 Mann wurden aufgeboten, von ihnen kamen nur wenige zurück. Gedanken eines Württembergers beim ersten Zusammentritt der Landstände am 15. März 1815 Nach den Befreiungskriegen waren die Hoffnungen in der Bevölkerung groß, dass sich die Verhältnisse allgemein verbessern würden. Lange genug hatte man am französischen Beispiel Freiheit und Gleichheit vor Augen gehabt. In Baden war sogar der Code Civil, das zu dieser Zeit fortschrittlichste Rechtssystem eingeführt worden. In Württemberg gab es das "Alte Recht", d.h. Mitbestimmung für die Vertreter des Landes, die "Landstände" in wesentlichen Dingen, etwa der Steuererhebung. Die Hoffnungen richteten sich nun auf eine Verfassung, die diese Rechte wieder berücksichtigen sollte. König Friedrich galt auf der anderen Seite als ein unbeugsamer Vertreter der absolutistischen Herrschaft. Deshalb war es nicht erstaunlich, dass er den zusammengetretenen Landständen zwar einen Verfassungsvorschlag vorlegte, darin aber nicht den Herrschaftsanspruch des Monarchen zurücknahm. Die Stände waren darüber enttäuscht. Ein Verfassungsvertrag wurde erst 1819 nach langen Verhandlungen von Friedrichs Nachfolger König Wilhelm mit den Ständen abgeschlossen.
Im Lied wird zuerst die aktuelle Situation - die Beendigung der napoleonischen Herrschaft - aufgegriffen. Danach werden einige Beschwerden der Untertanen aufgeführt, denen 1815 abgeholfen werden soll. Genannt wird die Hoffnung auf Beendigung der Jagdfron, was deshalb ein großes Problem war, da König Friedrich ein passionierter Jäger war und seine Untertanen oft zu Hilfsdiensten heranzog. Auch die allgemeinen Frondienste sollen abgeschafft werden und die Abgaben insgesamt erträglich gestaltet werden. Tatsächlich kamen ab den zwanziger Jahren zögerlich Ablösungsverträge zwischen den Gemeinden und der königlichen Verwaltung zu Stande, in denen diese gegen Geldzahlungen auf die Frondienste und Abgaben verzichtete. Endgültig abgeschafft wurden diese Verpflichtungen erst in der Revolution von 1848. Verfasser des Textes ist der Rechtsanwalt und Dialektdichter Karl Weitzmann aus Ehingen (1767-1828). Das Lied zirkulierte in vielen Abschriften und wurde immer wieder zitiert, auch weitergedichtet. Gesungen wird es hier zu der Melodie des Volksliedes "Kein Feuer, keine Kohle". Mögliche Aufgaben
Klage über die Hungerjahre 1816/17 Die angesprochene Krisensituation war eine der gravierendsten Hungersnöte der vorindustriellen Gesellschaft. Verursacht wurde sie durch den witterungsbedingten Ausfall einer Ernte. Das Jahr 1816 war durchgehend von Nässe und Kälte geprägt, bereits im Oktober fiel Schnee, der liegen blieb. Die Nahrungsmittelknappheit führte zu einem drastischen Anstieg der Preise ("Theuerungsnot"). Die Vorräte waren durch die napoleonischen Kriege der vorhergehenden Jahre aufgezehrt ("Erst das lange Kriegesleiden"). Es handelt sich hierbei um den Typ der vorindustriellen Krise, die gekennzeichnet ist durch einen Teufelskreis von Not und Armut. Die Landwirtschaft stellte den größten Anteil an der gesamten Produktion. Ihre Krisen wirkten sich auf alle anderen Wirtschaftszweige aus. Insbesondere mittlere und kleine landwirtschaftliche Erzeuger waren auf Zukauf von Lebensmitteln angewiesen, den sie durch zusätzliche gewerbliche Tätigkeit finanzieren mussten, häufig als Weber oder Fuhrleute. Da aber bei allen Bevölkerungsschichten der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel stieg, sank die Gesamtnachfrage im gewerblichen Bereich und damit die Verdienstmöglichkeiten ("nichts erwerben, nichts verdienen ..."), die Krise wurde weiter verschärft. Weil diese wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht ohne weiteres einsehbar waren, musste als Erklärungsmuster religiöses Fehl- oder Wohlverhalten dienen ("Strafe ists für unsre Sünden"). Das Lied lässt sich als Beispiel für eine vorindustrielle Krisensituation einsetzen. Es werden einige wirtschaftliche und soziale Mechanismen deutlich, die das Leben der einfachen Bevölkerung vom 16. bis zum 19. Jahrhundert prägten: der enger werdende Ernährungsspielraum, die gewerbliche Ergänzung der landwirtschaftlichen Arbeit und die starke religiöse Bindung. Als Melodie wird ein Choral der Passionszeit verwendet. Tafelbild 2: Ein Teufelskreis von Not und Armut
Mögliche Aufgaben
"Es blüht im Lande Baden" Hoffmann von Fallersleben schrieb dieses Lied 1843 bei seinem Aufenthalt in Mannheim. Gesungen wird es auf die Melodie "Schier dreißig Jahre bist du alt". In diesem eher verhalten festlichen Lied würdigt der Komponist des Deutschlandliedes die traditionell starke liberale Freiheitsbewegung in Baden. Deutlich wird in seinen Erinnerungen auch die Zensur und politische Verfolgung zur Zeit des Vormärz, aber auch das Netzwerk der Oppositionellen. Die angesprochene Verfassung in Baden galt in der konstitutionellen Bewegung als vorbildlich. Die Zweite Kammer galt als Schule des parlamentarischen Lebens, von Fallersleben trifft einige der Aktiven aus diesem Umfeld auf seiner Fahrt durch Baden. Mögliche Aufgaben
Die freie Republik Im März 1848 brach die Revolution aus und es wurden Märzministerien in Baden und in Württemberg eingerichtet. Gleichzeitig wurden Forderungen wach, die weiter reichten. Besonders im Südwesten Deutschlands gab es Bestrebungen, die Monarchie insgesamt abzuschaffen. Der badische Rechtsanwalt Hecker sammelte Anhänger und rief in Konstanz die Republik aus. Bei seinem Zug durch Südbaden sammelte er weitere Getreue, scheiterte aber militärisch in einem Gefecht gegen reguläre Truppen aus Baden, Württemberg und Hessen. Hecker floh danach in die USA. Dort lebte er bis 1881 als Farmer und nahm am Amerikanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Nordstaaten als Major teil. Sein Andenken in der Bevölkerung war überaus positiv. Diesen Aspekt zeigt das erste Lied.
Heckerlied Das zweite Lied (Guckkastenlied vom großen Hecker) wurde während der Revolution häufig gesungen, obwohl es eigentlich ein Spottlied auf Hecker war. Dass es auch so aufgefasst wurde, zeigt die Tatsache, dass der Verfasser im September 1848 von Revolutionären wegen dieses Liedes verprügelt wurde. Aufgaben
Badisches Wiegenlied Autor des Liedes ist der Schwabe Ludwig Pfau, der diesen Text erstmalig im "Eulenspiegel" am 8. Dezember 1849 veröffentlichte. Die vorliegende Musikfassung geht auf einen Druck aus Straßburg von 1850 zurück; der Komponist blieb anonym. Ludwig Pfau wurde 1821 in Heilbronn geboren. Er besuchte das Gymnasium und studierte an-schließend in Paris, Heidelberg und Tübingen. 1847 veröffentlichte er einen Gedichtband. In der Revolution von 1848 wirkte er als Publizist und Herausgeber des satirischen Wochenblattes "Eulenspiegel". Württembergische Gerichte warfen ihm vor, auch in Württemberg - ähnlich wie in Baden - den Umsturz anzustreben. Von verschiedenen Gerichten in Württemberg wurde er verurteilt. Als Mitglied der "Schwäbischen Legion" zog er sich nach der gescheiterten Badischen Revolution im Juli 1849 in die Schweiz zurück. Danach muss das Lied entstanden sein. 1865 kehrte Pfau nach Stuttgart zurück und lebte hier bis 1894. Das Lied wird auch in der Fassung "Schlaf Kindlein Schlaf" gesungen. Die vorliegende Fassung dagegen steht in der Tradition der Kunstlieder und setzt die Intention des Autors sehr geglückt musikalisch um. Die historische Situation: Nach der Ablehnung der Reichsverfassung und der Kaiserkrone durch den preußischen König setzten insbesondere die Republikaner die Revolution fort. Ab 12. Mai 1849 war Baden in der Hand des Volksaufstandes. Die Soldaten rebellierten und die Volksvereine in Baden versammelten sich und übernahmen die Regierungsgewalt. Die Versuche, den Aufstand auszudehnen, scheiterten. Der Marsch nach Hessen-Darmstadt wurde zurückgeschlagen, die württembergischen Volksvereine lehnten eine Teilnahme ab. Preußische Truppen intervenierten um den Aufstand niederzuschlagen. Wesentlich besser ausgerüstet als die Aufständischen konnten sie in einigen Schlachten in Nordbaden, bei Germersheim und Waghäusel, diese zurückdrängen. Die Anhänger der Revolution zogen sich am 30. Juni in die Festung Rastatt zurück. Am 23. Juli mussten sie kapitulieren. Es folgten Verurteilungen und Hinrichtungen, die sich bis in den Oktober 1849 hinzogen. Sie sind wohl der Hintergrund für die letzte Strophe, die Pfau später hinzufügte. Einigen wenigen gelang es auch zu fliehen. Bekannt ist Carl Schurz, der durch Abwässerkanäle aus der Festung heraus gelangen konnte. Er emigrierte nach Nordamerika und wurde Innenminister der Vereinigten Staaten. Die Qualität des Liedes legt es nahe, die musikalischen Mittel und den Ausdruck des Liedes zu berücksichtigen. Das Lied ist musikalisch in zwei Strophen geteilt, die einen gegensätzlichen Eindruck machen. Der erste Teil ist in Moll gehalten, der aggressive zweite Teil in der gleichnamigen Dur-Tonart. Das entspricht dem Text im ersten Teil, bestehend aus drei Textstrophen. Der zweite Teil bietet im Text die Aussicht auf Rache, deshalb auch ein Höhepunkt mit einer Fermate auf dem Text "die Freiheit aufersteht". Schließlich endet das Lied mit einem dramatischen Finale. Mögliche Aufgaben
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