Zeitschrift

DAS SCHÖNSTE LAND

Historische Lieder aus
dem deutschen Südwesten

Alltag in der Ständegesellschaft 

Heft 2-3/2001 , Hrsg.: LpB



 

Inhaltsverzeichnis 

 

Die vormoderne, ständische Gesellschaft war einerseits hochdifferenziert, bestand aber andererseits aus rigide voneinander abgegrenzten Gruppen. Die grundlegende Grenze verlief zwischen Geburtsadel und den zum dritten Stand gehörigen Gruppen. Der Wertmaßstab orientierte sich an Traditionen, in denen Geburt und Tätigkeit im Mittelpunkt standen. Bürger, Bauern oder Handwerker hatten zwar ihr "Standesbewusstsein" und entwickelten ihr Selbstbewusstsein. Zu größeren Konflikten kam es aber immer dann, wenn die Grenze zwischen Adel und anderen gesellschaftlichen Gruppen in Frage stand.

Der Adel hatte sich durch eine Reihe von gesetzlichen Maßnahmen aber auch durch einen hochwirksamen Ehrenkodex von den anderen Gruppen abgeschirmt. So konnten Adlige keinen bürgerlichen Beruf ausüben und durften grundsätzlich nur ihresgleichen heiraten. Damit war zwar die Existenz der Gruppe garantiert, aber Probleme waren vorgezeichnet. Die Emotionen ließen sich dadurch nicht steuern, aber die Folgen wurden damit kanalisiert.

Es verwundert nicht, dass in der Literatur des 18. Jahrhunderts dieses Thema aufgenommen und zur Diskussion gestellt wurde. Lessings "Emilia Galotti", Schillers "Kabale und Liebe" oder Wagners "Kindermörderin" stehen hier für viele andere. Im Volkslied lässt sich dies viel früher beobachten, alle drei angeführten Lieder wurden schon im 16. Jahrhundert gesungen, aufgezeichnet wurden sie aber erst im 19. Jahrhundert. 

"Stand ich auf hohen Bergen"

Der Text schildert die nicht zu Stande gekommene Beziehung zwischen einem Grafensohn und einem nichtadligen Mädchen. Ob es sich dabei um eine Bauern- oder Bürgerstochter handelt,a wird nicht erwähnt. Allerdings wird deutlich, dass sie keine adäquate Partie für ihn darstellt und er spricht auch trotz seines Werbens deutlich aus, dass es eine heimliche Beziehung sein müsste. Für sie ist das nicht annehmbar und sie lehnt dies ab. Das entspricht durchaus den bürgerlichen Tugend- und Ehrvorstellungen. Ihm droht der Verlust des Grafentitels und Enterbung. Umso härter trifft ihn die Antwort, sodass "sein Herz in seinem Leibe in tausend Stücke sprang". Man sieht deutlich, wie der persönliche Konflikt von dem sozialen überlagert wird.

"Es reitet ein Edelmann über die Brück"

Eine andere Situation zeigt sich in dem in Schwaben weit verbreiteten Lied. Ausgangspunkt ist eine Machtdemonstration des Edelmanns gegenüber dem Schäfer. Nun reihen sich die einzelnen Szenen aneinander, ohne sich immer logisch aufeinander zu beziehen. Es stellt sich heraus, dass der Schäfer die Kleiderordnung nicht eingehalten hat. Dies eröffnet dem Edelmann die Möglichkeit, seiner Tochter eine gute Partie zu verschaffen. Die Ablehnung verärgert ihn und durch die Strafe werden wieder die Machtverhältnisse deutlich. Erst durch große Geldzahlungen kommt es zu einem glücklichen Ende.

Der Aspekt der Beziehung zwischen Arm und Reich kommt nur kurz ins Spiel, allerdings hier in umgekehrter Anordnung. Der weibliche Teil wäre der höher gestellte, tritt aber bezeichnenderweise gar nicht selbst in Aktion. Die Ablehnung durch den Schäfer ist deutlich ehrverletzend und zeigt - wie die Schlussstrophe - ein negatives Bild vom Adel.

Bettellied

"En Muaders Stüabele" thematisiert die Praxis des Bettelns und greift eine Grunderfahrung der vorindustriellen Gesellschaft auf. Dieses Lied wird oft als Kinderlied zitiert, ist aber in vielerlei Hinsicht sozial bedeutsam. Verbreitet war es primär im Dreiländereck, später wird es auch in einer schwäbischen Fassung gesungen.

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Rommelsbacher Bettelordnung 

Mögliche Aufgaben

Vergleicht die drei Lieder unter folgenden Gesichtspunkten:

  1. Gib die Geschichten mit eigenen Worten wieder.
  2. Ordne die Beteiligten nach gesellschaftlicher Schicht.
  3. Charakterisiere und erläutere ihr Verhalten und die Begründungen, die im Lied erkennbar werden.

Texte und Melodien der Lieder

 


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