Zeitschrift

Die sechziger Jahre

in der Bundesrepublik Deutschland


Baustein C: C3 - C6
Der Weg in die große Koalition


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Inhaltsverzeichnis

 

C 3 Wirtschaftskrise 1966/67

Zwischen Herbst 1966 und Sommer 1967 erlebte die Bundesrepublik die erste scharfe Wirtschaftskrise seit ihrem Bestehen:

Die Ursachen dieser Krise .. (lagen) im Rückgang der privaten und öffentlichen Investitionen...

Es wurde mehr produziert als verkauft.

Die Lagerbestände wuchsen.

Kapazitäten wurden stillgelegt.

Arbeiter wurden entlassen.

War das Bruttosozialprodukt 1965 noch um 5,7% gegenüber dem Vorjahr gestiegen, so betrug die Steigerungsrate 1966 nur noch 2,8 % ... 1967 fiel das Bruttosozialprodukt erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte sogar um 0,2%. Die Zahl der Konkurse stieg von 2928 im Jahre 1965 auf 3301 im Jahre 1966 und 3930 im Jahre 1967... Die Zahl der Arbeitslosen wuchs stetig, die Zahl der ausländischen Arbeiter sank...

Bundeskanzler Ludwig Erhard lehnte es ... ab, von staatlicher Seite steuernd oder aktiv in den Wirtschaftsprozess einzugreifen, und beschränkte sich weitgehend auf moralische Appelle an Produzenten, Konsumenten und Lohnempfänger, in ihren Forderungen Maß zu halten...

Peter Borowsky: Deutschland 1963-1969, Oldenbourg (Fackelträger) 1983, S. 53 f.

C 4 Ergebnisse der Wahlen zum Deutschen Bundestag 1957-1972

Nach: Statistisches Bundesamt (Hg.): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Sonderheft 40 Jahre Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1989, S. 6-13.

C 5 Dramatische Tage im Herbst 1966

26. Oktober

Zustimmung der FDP zu einer Kompromisslösung bei der Sanierung des Bundeshaushaltes

27. Oktober

Rücktritt der FDP-Bundesminister wegen notwendig werdender Steuererhöhungen; Ende der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP

28. Oktober

Loyalitätserklärung des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Rainer Barzel, für Bundeskanzler Ludwig Erhard

2. November

Erklärung Ludwig Erhards zum Verzicht auf das Amt des Bundeskanzlers

6. November

Wahlerfolg der NPD bei den Landtagswahlen in Hessen (7,9 %; 8 Mandate)

7. November

Aufforderung der SPD- und der FDP-Bundestagsfraktion an Ludwig Erhard, die Vertrauensfrage zu stellen

8. November

Vorlage des SPD-Papiers "Aufgaben einer neuen Bundesregierung" (im Falle einer SPD-Beteiligung)

10. November

Abstimmung in der CDU/CSU-Fraktion über einen neuen Kanzlerkandidaten: Entscheidung für den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Kurt Georg Kiesinger

15. November

erste gemeinsame Sitzung der Verhandlungskommissionen der CDU/CSU und der SPD über die Bildung einer Großen Koalition

20. November

Wiedererlangung der absoluten Mehrheit der CSU bei den bayerischen Landtagswahlen; Einzug der NPD in den Landtag von Bayern (7,4%; 15 Abgeordnete)

24. November

entscheidender Durchbruch bei den Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD

25. November

offizielles Angebot des FDP-Vorsitzenden Erich Mende zur Bildung einer Koalition aus SPD und FDP

26. November

Erklärung der Verhandlungskommissionen von CDU/CSU und SPD über die Bildung einer Großen Koalition

28. November

Zustimmung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Bildung der Großen Koalition

30. November

formelles Rücktrittsgesuch des Bundeskanzlers Ludwig Erhard; Zustimmung der SPD-Bundestagsfraktion zur Bildung einer Großen Koalition; massive Kritik des Schriftstellers Günter Grass an "dieser miesen Ehe" (im "Vorwärts" vom 30.11.1966)

1. Dezember

Wahl Kurt Georg Kiesingers zum Bundeskanzler

8. Dezember

konstruktives Misstrauensvotum im Landtag von Nordrhein-Westfalen: Abwahl des bisherigen Ministerpräsidenten Meyers (CDU); Wahl von Heinz Kühn (SPD) und Bildung einer Koalitionsregierung aus SPD und FDP in Nordrhein-Westfalen

13. Dezember

Regierungserklärung des Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger für die Große Koalition.

16. Dezember

Bildung einer Großen Koalition in Baden-Württemberg (Ministerpräsident: Hans Filbinger, CDU)

Nach Reinhard Schmoeckel/ Bruno Kaiser: Die vergessene Regierung, Bonn (Bouvier) 1991; und: Taschenbuch Baden-Württemberg, Ausgabe 1999

C 6 Voraussetzungen für die Große Koalition

Allen Politikern aus CDU/CSU und SPD, die sich im November 1966 in Verhandlungen über eine Koalition dieser Parteien im Bundestag verständigten, war völlig klar, dass dieser Zustand nur eine vorübergehende, zeitlich begrenzte Ausnahme im politischen Leben unseres Staates sein dürfte.

Auf der anderen Seite war die zweite Hälfte der sechziger Jahre eine Zeit, wo sich unter Politikern und auch bei der großen Mehrzahl der Wähler die Überzeugung Bahn gebrochen hatte, dass alle drei damaligen Parteien in der Bundesrepublik miteinander koalitionsfähig seien. Keiner der drei Parteien erschien grundsätzlich eine Regierungsbeteiligung einer der beiden anderen als der "Untergang Deutschlands". Eine Teilung der Regierungsverantwortung mit einer der beiden anderen Parteien war nicht mehr mit einem Tabu belegt. Keine unüberwindlichen weltanschaulichen Gräben trennten die Parteien mehr voneinander, wie noch in den ersten Jahren der Bundesrepublik. Gerade die beiden großen Parteien waren im Bestreben, "Volkspartei" zu werden und praktisch für alle Schichten der deutschen Bevölkerung wählbar zu sein, einander ähnlicher geworden. Ihr Umgang miteinander hatte sich längst entkrampft. Insofern erscheint die Zeit der Großen Koalition, rückblickend betrachtet, zugleich als eine Epoche demokratischer Normalität im Verhältnis der politischen Parteien untereinander.

Reinhard Schmoeckel/ Bruno Kaiser: Die vergessene Regierung, Bonn (Bouvier) 1991, S. 15.


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