Zeitschrift

Die sechziger Jahre

in der Bundesrepublik Deutschland


Baustein B: B7 - B11
Der Mauerbau aus verschiedenen Perpektiven


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Inhaltsverzeichnis

 

B 7 Die amerikanische Sicht

Der amerikanische Präsident John F. Kennedy wies am 25. Juli 1961 in einer Rundfunk- und Fernsehansprache jeden Gedanken daran zurück, die Anwesenheit der Westmächte in West-Berlin zu beenden und nannte die drei "Essentials", zu deren Verteidigung er selbst den äußersten Einsatz nicht scheue:

die Anwesenheit der drei Westmächte in West-Berlin,

ihr ungehindertes Zugangsrecht dorthin und

die Sicherheit und Freiheit der West-Berliner.

Kennedy ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen, aber er signalisierte dem Kreml zugleich mit hinreichender Deutlichkeit, dass er bereit war, sich mit der Sicherung des Status quo in West-Berlin abzufinden, ohne dabei auf die Rechte aller vier Siegermächte in Gesamt-Berlin zu pochen.

J. William Fulbright, ein enger Vertrauter Kennedys, erklärte am 30. Juli 1961 in einem Fernsehinterview: "Ich verstehe nicht, warum die Ostdeutschen ihre Grenze nicht schließen." Er sprach damit lediglich aus, was in Washington von vielen gedacht wurde.

Durch den Bau der Mauer am 13. August 1961 wurde keines der drei "Essentials", die der amerikanische Präsident verkündet hatte, verletzt. Deshalb übte der Westen Zurückhaltung. Seine Reaktion auf den Mauerbau zeigte nicht nur Ohnmacht, sondern auch Erleichterung. In Berlin und in der Bundesrepublik aber führte das Ausbleiben deutlicher Gegenmaßnahmen zu einer tiefen Stimmungskrise. Die Berliner fühlten sich im Stich gelassen.

Nach Adolf Birke: Nation ohne Haus. Deutschland 1945-1961, Berlin (Siedler) 1994, S. 479-481.

B 8 Verschiedene Perspektiven

a) Der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow (in einem Gespräch mit dem Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Moskau, Hans Kroll):

Man kann sich unschwer ausrechnen, wann die ostdeutsche Wirtschaft zusammengebrochen wäre, wenn wir nicht alsbald etwas gegen die Massenflucht unternommen hätten. Es gab nur zwei Arten von Gegenmaßnahmen: die Lufttransportsperre oder die Mauer. Die erstgenannte hätte uns in einen ernsten Konflikt mit den Vereinigten Staaten gebracht, der möglicherweise zum Krieg geführt hätte. Das konnte und wollte ich nicht riskieren. Also blieb nur die Mauer übrig.

Ich möchte Ihnen auch nicht verhehlen, dass ich es gewesen bin, der letzten Endes den Befehl dazu gegeben hat. Ulbricht hat mich zwar seit längerer Zeit und in den letzten Monaten immer heftiger gedrängt, aber ich möchte mich nicht hinter seinem Rücken verstecken. Er ist viel zu schmal für mich.

b) Der amerikanische Präsident John F. Kennedy (in einem Gespräch mit seinem Berater Walt Rostow im Juli 1961):

(Chruschtschow) muss etwas tun, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen - vielleicht eine Mauer. Und wir werden das nicht verhindern können. Ich kann die Allianz zusammenhalten, um West-Berlin zu verteidigen. Aber ich kann nichts machen, um Ost-Berlin offenzuhalten.

Zitate a) und b) nach:

Das Parlament vom 23. August 1996, S. 13.

c) Bild-Zeitung vom 14. August 1961

B 9 Im Paradies

Zeichnung: Paul Flora

Flugblatt der SED-Bezirksleitung Suhl

"Unsere Geduld ist zu Ende! Der Staat der Arbeiter und Bauern, unsere Deutsche Demokratische Republik schützt vom heutigen Tage an wirksam seine Grenzen gegen den Kriegsherd Westberlin und gegen den Bonner Atomkriegsstaat."

Zit. nach Horst Pötzsch: Deutsche Geschichte nach 1945 im Spiegel der Karikatur, München (Olzog) 1997, S. 109.

B 10 Äußerungen aus der DDR

a) Der Staatsratsvorsitzende und 1. Sekretär des Zentralkomitees der SED, Walter Ulbricht, im Juni 1961:

"Die Bauarbeiter unserer Hauptstadt beschäftigen sich hauptsächlich mit Wohnungsbau, und ihre Arbeitskraft wird voll dafür eingesetzt. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten."

Zitiert nach: Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1962, S. 34.

b) Kleines politisches Wörterbuch der DDR (Berlin-O 1973, S. 40 f.)

Antifaschistischer Schutzwall:

Seit dem 13.8.1961 bestehende gesicherte Grenzanlage an der Staatsgrenze der DDR zu Westberlin. Im Einvernehmen mit den verbündeten sozialistischen Staaten des Warschauer Vertrages und völlig überraschend für den Imperialismus der BRD, seine Spionagezentralen und die Nato übernahmen die bewaffneten Kräfte der DDR die militärische Sicherung der Staatsgrenze zu Westberlin. Durch die stabile Grenzsicherung wurde der Frieden sicherer. Der Ausplünderung der DDR durch den Imperialismus der BRD, wodurch der sozialistischen Gesellschaft der DDR ungeheurer Schaden zugefügt worden war, wurde ein Ende gesetzt. Es wurde besser möglich, die ökonomischen Gesetze des Sozialismus in der DDR umfassend durchzusetzen. Das sozialistische Bewusstsein der Bürger entwickelte sich auf den stabilen Grundlagen der sozialistischen Ordnung weiter. So schufen die Maßnahmen zur Sicherung der DDR neue Möglichkeiten für die weitere wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung der DDR im Rahmen der sozialistischen Staatengemeinschaft.

c) Sonderbriefmarke der DDR zum zehnjährigen Bestehen der Berliner Mauer

B 11 Die Dreizehn

Was war das für 'ne Lust / am dreizehnten August. / Der Brandt* bekam eins auf den Hut, / ihr glaubt ja nicht, wie gut das tut, / und als er wieder zu sich kam, / fing's ihm zu dämmern an:

[Refrain]

Dem einen bringt die 13 Pech, / dem ander'n bringt sie Glück, / doch was man mal verloren hat, / bekommt man nicht zurück...

Die Grenzen sind jetzt dicht, / das passt so manchem nicht. / Frau Von-und-zu wird nicht mehr froh, / ihr fehlt das Fleisch aus der HO**. / Der Wechselstubenboss hat Not, / denn eins zu vier ist tot.

Dem einen bringt die 13 Pech...

Text und Musik: Kallies (wohl Pseudonym)

** Willy Brandt 1957 bis 1966 Regierender Bürgermeister von Berlin

** Die HOs (Handelsorganisationen) waren die staatlichen Lebensmittelgeschäfte.

Harald Mager/Friederike Terpitz (Red.): Geschichte in Liedern - Deutschland im 20. Jahrhundert, Heidelberg (Raabe) 1997, S. 41


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