Zeitschrift

DAS SCHÖNSTE LAND

Historische Lieder aus
dem deutschen Südwesten

Einleitung 

Heft 2-3/2001 , Hrsg.: LpB



 

Inhaltsverzeichnis 

 

In Liedern kristallisieren sich individuelle Gefühle und Ansichten, aber auch soziale und historische Erfahrungen. Deshalb enthalten sie viele Möglichkeiten, Einblicke in eine Zeit zu bekommen. In mancher Hinsicht sind sie rein verbalen Quellen überlegen:

  1. Sie stehen oft den Ereignissen besonders nahe. Sie sind häufig wenig distanziert, deutlich perspektivisch und damit authentisch.
  2. Viele Lieder entstanden in Schichten, über die auf andere Art und Weise wenig Erkenntnisse möglich sind.
  3. Die Musik spricht nicht nur den Verstand an. Es werden Emotionen, Affekte, Appelle an Solidarität und das Gemeinschaftsgefühl von Gruppen vermittelt. Diese Bereiche lassen sich in anderen Quellen kaum gleich gut fassen, damit werden mentalitätsgeschichtliche Erkenntnisse möglich.
  4. Lieder können schlagwortartig Informationen für die Zeitgenossen transportieren, oft mit einer deutlichen Wertung versehen.

Didaktische und methodische Aspekte

Mit dem Einsatz von Liedern können im Unterricht verschiedene Ziele erreicht werden. Es können:

- historische Informationen vermittelt,

- politische Programme erarbeitet,

- Mentalitäten in verschiedenen sozialen Schichten untersucht,

- sprachliche Mittel analysiert

- und Mittel der Beeinflussung aufgedeckt werden.

Mögliche Funktionen

Beim Einsatz im Unterricht können viele Funktionen erfüllt werden. Den Liedern wird man am besten gerecht, wenn man sie als zentralen Untersuchungsgegenstand in den Mittelpunkt stellt. Einige der Beispiele bieten erstaunlich viele historische Informationen, z.B. das Triumphlied über die Bauern, das Lied über die Zerstörung Calws, das Heckerlied und andere. Oft ist es sinnvoll, sie dabei durch schriftliche Quellen oder Bilder zu ergänzen. In keinem Fall soll versäumt werden, das Lied in seinen historischen Kontext zu stellen. In der Eingangsphase des Unterrichts ist das Lied geeignet zur Illustration, zur Weckung von Problembewusstsein und als Ausgangspunkt zur Formulierung von Fragen. Dabei wird die Tatsache genutzt, dass in Liedern immer Haltungen und Stellungnahmen zu historischen Situationen enthalten sind. Diese können provozieren und bieten Anlässe zur genaueren historischen Aufarbeitung. 

In vielen Fällen ist ein kontrastierendes Verfahren sinnvoll, zum Beispiel:

- Lied der Bauern (Das bündisch Liedlein) versus Triumphlied über die Bauern;

- Klagelied über die Zerstörung Calws und Ulmisches Danklied für den Frieden;

- Soldatenlied von Schubart versus Württembergisches Soldatenlied;

- Guckkastenlied vom großen Hecker und Die freie Republik;

- Es blüht im Lande Baden sowie Badisches Wiegenlied;

- Auswandererlied (Ein polnisch Lied) und Am Necker.

Auch thematische Längsschnitte bieten sich an, z.B. Krieg und Frieden: Ein bündisch Liedlein; Triumphlied über die Bauern; Schwäbischer Totentanz; Ulmisches Danklied; Württembergisches Soldatenlied; Napoleons russischer Feldzug; Badisches Wiegenlied.

Zur Analyse von Liedern

Die systematische Untersuchung orientiert sich an den Strukturmomenten des Liedes und an den Frageschwerpunkten auf den verschiedenen Lernebenen.

Daraus lassen sich eine Reihe von allgemeinen Aufgabenstellungen für Schülerinnen und Schüler formulieren (vgl. Kasten).

Allgemeine Fragen zur Liedanalyse

- Welche Wirkung hat das Lied auf dich?

- Welchen Inhalt hat das Lied?

- Welche Informationen enthält das Lied?

- In welcher Situation wird dieses Lied gesungen?

- Was weiß man über Sänger und Adressat des Liedes?

- Welche Wirkung hat das Lied auf Zuhörer und Mitsänger?

- Mit welchen sprachlichen und musikalischen Mitteln soll dieser Zweck erreicht werden?

- Gibt es noch andere Sichtweisen zu den dargestellten Vorgängen?

- Wie beurteilst du die Aussage, die angestrebte und tatsächliche Wirkung des Liedes?

Für die Analyse des Textes gelten die Methoden der Quellenanalyse: Sicherung des Sachverständnisses, Einordnung in die historische Situation und Ermitteln der Perspektivität und Bewertung. Die Auswertung der emotionalen Wirkung der Musik erfolgt durch Verbalisierung, Analyse der verwendeten Mittel und durch eigenes Singen und Musizieren.

Verbalisierung. Zentrale Bedeutung bei der Liedanalyse im Geschichtsunterricht kommt der Verbalisierung zu. Als Hilfsmittel haben sich hierbei drei Werkzeuge bewährt: das Polaritätsprofil, der Adjektivzirkel und die graphische Notation. Sie werden parallel zum Hören der Lieder eingesetzt, dabei werden zutreffende Adjektive markiert oder Ausprägungen im Profil festgelegt. Anschließend dienen die erstellten Profile als Gesprächsgrundlage. Diese methodischen Instrumente können leicht für jedes Lied angepasst werden.

Schaubild 2: Das Polaritätsprofil

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Die musikalische Analyse kann im Geschichtsunterricht nur selten intensiv betrieben werden. Die graphische Notation hält den Melodieverlauf in Form einer Linie fest. Damit können Zusammenhänge zwischen musikalischen Höhepunkten und Textaussagen verdeutlicht werden.

Im Übrigen geht es darum, einfache Elemente herauszufinden:

- signifikante Intervalle

- Heraushebung von Stellen durch Höhepunkte im dynamischen Verlauf oder durch die Tonhöhe

- Gliederung des Verlaufs

- Wiederholung.

Oft werden bekannte Melodien verwendet. Man spricht hier von Kontrafaktur: auf eine bekannte Melodie wird ein neuer Text gesungen. Im allgemeinen geschieht dies aus folgenden Gründen:

- Die Melodie ist schnell verfügbar, sie muss nicht eigens erlernt werden.

- Die Vertrautheit und Attraktivität werben für die jeweilige Position.

- Die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf den Text, weil die Melodie geläufig ist.

- Der Inhalt ist leichter zu behalten, weil er durch Melodie und Rhythmus gestützt ist.

Das gemeinsame Singen und Musizieren mit der Klasse bringt die eindrucksvollsten Ergebnisse. Schüler, die selbst singen, können die Grundstimmung besser beurteilen. Außerdem gelingt die Analyse des Textes bei handlungsorientiertem Vorgehen besser.

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Zur Auswahl der Lieder

In diesem Heft werden ausschließlich Lieder verwendet, die aus dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg stammen. Einige davon sind weit darüber hinaus verbreitet worden, ein deutliches Zeichen ihrer Qualität. Die Liedertexte beziehen sich auf historische Vorgänge aus den Regionen des Landes, wobei hier nicht nur politikgeschichtliche Themen berücksichtigt werden. Ergänzend werden Beispiele aufgenommen, die unter mentalitäts-, alltags- und sozialgeschichtlichen Aspekten bedeutsam sind. 

Es gibt bisher keine Zusammenstellung, auf die man zurückgreifen kann. So gibt es zwar Sammlungen für Lieder mit historischen Bezügen, allerdings selten unter regionalen Gesichtspunkten. Die einzig verwertbare Arbeit ist die von Steiff/Mehring (s. Literaturverzeichnis: Steiff, Karl). Ansonsten wurden lokale Liederbücher gesichtet und Einzelhinweise verfolgt. Der Autor bedankt sich beim Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg, besonders bei Frau Boock, die viele interessante Hinweise gegeben hat.

Viele Lieder gehören zur Kategorie Volkslied, die Begriffsdiskussion wurde aber bewusst ausgeklammert. Zum Einen ist es schwierig, hier zu einem Konsens zu kommen, zum Anderen sollten Kunstlieder nicht von vornherein ausgeschlossen werden (Beispiel: Schubart, Der Gefangene).

Die Auswahl orientiert sich an den Themen der aktuellen Lehrpläne. Die Lieder umfassen den Zeitraum vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Der größere Teil ist chronologisch geordnet nach den Schwerpunkten: Spätmittelalter, Bauernkrieg und Reformation, Dreißigjähriger Krieg, Absolutismus, Restauration und Revolution, Zeitgeschichte. Zusätzlich wurden folgende Themen berücksichtigt: Alltag, Auswanderung und Heimat sowie - vorneweg - die Landeshymnen (Regionale Identität).
Roland Wolf

 

 


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