Zeitschrift 

Politische Denkmäler

Vier Stuttgarter Denkmäler:
Idee und Wirkung

Denkmäler für demokratische Politiker
 

Heft 4/2002, 
Hrsg.: LpB

 



 

Inhaltsverzeichnis

BAUSTEIN A

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Vier Stuttgarter Denkmäler: Idee und Wirkung
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Gelebtes Nationalbewusstsein im 19. Jahrhundert

Das deutsche Nationalbewusstsein schlechthin hat es in der Realität weder vor noch nach der Reichsgründung gegeben. Vielmehr gab es in den deutschen Teilstaaten viele Spielarten eines Nationalbewusstseins, das unterschiedliche Loyalitäten und Identifikationen kannte und mit regionalem Stolz sowie daraus resultierenden Rivalitäten verbunden war. Wertvolle Quellen für diese gelebte Realität sind die partikularstaatlichen Nationaldenkmäler des 19. Jahrhunderts.

Dieser Beitrag stellt ein Stuttgarter Ensemble aus dem einstigen Königreich Württemberg vor. Daran wird beispielhaft Formen des tatsächlich gelebten Nationalbewusstseins nachgegangen. Außerdem werden Methoden der Erschließung solcher Denkmäler bewusst gemacht. In diesem Zusammenhang wird auch ein Transferraster für den unterrichtlichen Umgang mit jeglicher Art von Denkmälern entwickelt sowie eine Verbindung zu Denkmalpflege und Denkmalschutz hergestellt.

Was ist ein Nationaldenkmal?

Nationaldenkmäler beziehen sich auf die Nation als ganze. Sie wollen in einem bestimmten Augenblick der Geschichte einer Nation etwas Besonderem Dauer verleihen. Dies kann ein bestimmtes Ereignis, eine bestimmte Persönlichkeit oder Personengruppe aus näherer oder fernerer Zeit sein. Das Nationaldenkmal wird so zu einem Zeichen kollektiven Erinnerns.

Die großen überregionalen Nationaldenkmäler wie Kyffhäuser-, Niederwald- oder Völkerschlacht-Denkmal erfüllen vom Thema und dem Zeitpunkt ihrer Errichtung her die Bedingungen dieser Definition - aber sie sind von oben verordnete Denkmäler, Ausdruck des Denkmalkultes im Kaiserreich. Über die tatsächlich vor Ort gelebten nationalen Loyalitäten und Identitäten des 19. Jahrhunderts geben nicht sie, sondern die vielen auf lokaler und regionaler Ebene entstandenen Denkmäler Auskunft. Nation und gar Gesamtnation sind ebenso Konstrukte wie deren angebliches nationales Empfinden. Darum gilt es, die bisher unter dem Aspekt des Nationalbewusstseins viel zu wenig beachteten partikularstaatlichen Denkmäler aufzuwerten und auf ihre Aussagen über das gelebte Nationalbewusstsein des 19. Jahrhunderts hin zu befragen.

 

Wir haben davon auszugehen, dass es einen partikularstaatlichen Regionalismus und Lokalismus gegeben hat. Dass beide zu dem offiziellen Nationalbewusstsein häufig in Konkurrenz traten, ja treten mussten, begründet die historische Entwicklung. Es liegt nahe, dass beide vorrangig von den partikularstaatlichen Herrscherhäusern gepflegt wurden. Bei der Analyse empfiehlt es sich, besonders auf das Verhalten einzelner Regenten zu achten und sie nicht nur allein als Vertreter ihrer Dynastie zu sehen, sondern auch als je individuell auf politische Vorgänge reagierende Einzelpersönlichkeiten - dies vor allem zu dem Zeitpunkt, an dem diese Regenten im Gefolge der Reichsgründung zunehmend an politischem Einfluss verloren, wie zum Beispiel König Karl I. von Württemberg. Von da an basierte ihr Nationalbewusstsein erst recht auf einem ausgeprägten Regionalstolz; ihr Regionalismus trat in Rivalität zur Gesamtnation.

Das Archiv hilft weiter

Derartige Tendenzen nachzuweisen, gelingt in vielen Fällen nur zum Teil am Denkmal selbst. Man formulierte für die Öffentlichkeit behutsam. Außerdem war der Formen- und Sprachkanon eines Denkmals im 19. Jahrhundert von Traditionen geprägt, die individuelle Aussagen überdecken können. Hier hilft das Archiv weiter. Dort liegen jene Zeugnisse, die die Denkmäler bei ihrer Entstehung hinterlassen haben. Nach ihnen suchend kann die Realität des gelebten partikularstaatlichen Nationalismus im Gegensatz zum offiziell verordneten gefunden werden.

Das Stuttgarter Denkmäler-Ensemble

Gegenstand der folgenden Untersuchung sind vier Denkmäler, die in Stuttgart zwischen Altem und Neuem Schloss auf Sichtweite zueinander stehen. Sowohl durch die Zeit ihrer Errichtung als auch durch ihre Themen sind sie typisch für den Zeitraum zwischen der Gründung des Deutschen Bundes und der Reichsgründung.

  • Das Schiller-Denkmal von 1839, Ausdruck des bürgerlichen Strebens, wenigstens die Kulturnation in das Bewusstsein zu heben, wenn schon zu dieser Zeit die politische Nation noch nicht realisierbar war.

  • Die Jubiläumssäule, die 1841-1846 anlässlich des 25jährigen Regierungsjubiläums von König Wilhelm I. von Württemberg als Denkmal für das Verhältnis zwischen dem "Landesvater" und seinem Volk entstand (Bekrönung erst 1863).

  • Das Denkmal für Herzog Christoph, errichtet 1889 durch König Karl I. von Württemberg für seinen bedeutenden Vorfahr, als Denkmal der historischen Vergewisserung angesichts des politischen Bedeutungsverlusts durch die Reichsgründung.

  • Das Landesdenkmal für Kaiser Wilhelm I., entstanden 1898 als Beitrag Württembergs zum Denkmalkult im wilhelminischen Deutschland.

 

Was man an Denkmälern erkennen kann

Eingangs werden nicht nur die Voraussetzungen für die Arbeit an den vorgegebenen Denkmälern geschaffen, sondern darüber hinaus auch die Grundlagen für ein Raster entwickelt. Das sind Leitlinien, die den grundsätzlichen methodischen Weg zur Erschließung von Denkmälern als historisch-politische Quellen vorgeben. Das Erstellen eines solchen Rasters macht auch deutlich, dass eine möglichst genaue Einsicht in Aussage und Funktion eines Denkmals nicht allein durch die Befragung des Objekts gewonnen werden kann, sondern in den meisten Fällen noch weiterer Informationen bedarf. So können Hintergründe und Zusammenhänge aufgedeckt werden, die man an dem fertig ausgeführten Denkmal nicht mehr ablesen kann. Die Entwicklung des Rasters wird in zwei Schritten erfolgen:

a) Befragung des Denkmals an seinem Standort,

b) Auseinandersetzung mit ergänzenden Informationen, vor allem im   zuständigen Archiv.

Eine Übersicht über das Zusammenspiel der beiden Lernorte Denkmalstandort und Archiv bietet das Schaubild 1

 

Schaubild 1: Das Zusammenspiel von Denkmalstandort und Archiv

Schaubild: Maria Würfel

Die folgenden Fragen, die man an ein Denkmal stellen kann, ergeben zugleich das Transfer-Raster für den Umgang mit Denkmälern schlechthin (Schaubild 2). Modellhaft wird das Raster auf das Stuttgarter Denkmäler-Ensemble angewandt.

Schaubild 2: Transferraster für den Umgang mit Denkmälern

Statt der vier hier eingeordneten Stuttgarter Beispiele kann jedes andere Denkmal an Hand der Kriterien zugeordnet werden. 

Kriterien  Beispiele
  Schiller Jubiläumssäule Christoph Wilhelm I.
Thematik        

Einzelpersönlichkeit

       

Herrscher/Partikularstaat 

 

x

 

Herrscher/Gesamtreich 

 

 

 

x

Gelehrter, Dichter 

x

 

 

 

Erfinder/Kulturnation

 

 

 

 

Personengruppe

 

 

 

 

historisches Ereignis

 

 

 

 

Idee

 

 

 

 

Entstehungszeit    

1839

1841/46

1889

1898

Standort

 

 

 

 

Stadt (zentral)

 x

Stadtrand

 

 

 

 

Dorf

 

 

 

 

offene Landschaft

 

 

 

 

Garten/Park

 

 

 

 

historischer Schauplatz

 

 

 

 

Sprache

 

 

 

 

offene Inschriften

 x 

x

 

verschleiernde Inschriften

 

 

 

 

keine Inschriften 

 

 

 

x

bildliche Darstellungen 

 

x

 

Zeichen (Allegorien, Symbole)

 x 

x

 

 

Material    

Bronze Granit Sandstein

Bronze Granit

Bronze Buntsandstein

Bronze Granit

Typus

 

 

 

 

architektonisch

 

 

 

 

plastisch 

Standfigur

 

Standfigur

Reiter-
standbild

Obelisk-Säule/Stele 

 

x

 

 

Gedenkstein/
Inschriftentafe

 

 

 

 

Auftraggeber

 

 

 

 

Einzelpersönlichkeit

 

 

 

 

als Vertreter einer Dynastie 

 

 

x

 

als Vertreter der Öffentlichkeit

 

 

 

 

als Privatmann

 

 

 

 

Gruppe

vertreten

 

 

 

 

Bürgerschaft 

 im

 

 

 

 

Nation/Stände

Denkmal-

 

 

x

Partikularstaat

komitee

 

 

 

 

Verein

 

x

 

 

 

Geltungsanspruch

 

 

 

 

Kulturnation

x

 

 

 

Partikularstaat 

 

x

 

Gesamtnation/Stände 

 

 

 

x

Funktion

 

 

 

 

Kollektive Erinnerung 

 

 

 

x

Integration

 

 

 

 

historische Vergewisserung 

x

 

 x

 

Vergewisserung der Loyalität 

 

x

 

 

Ewige Dauer

 x 

x

Rezeption

 

 

 

 

angenommenes Denkmal (Denkmalfeste)  

x

(x)

 

 x (2001)

nicht angenommenes Denkmal

 

 

 

 

Gegendenkmal

 

 

 

 

Denkmalsturz

 

 

 

 

Denkmal-Umwidmung

 

 

 

 

historisches Denkmal (vergessenes Denkmal) 

 

 

x

 

Raster: Maria Würfel

Die Frage nach dem Was

Für die Zeit vor 1870/71 ist das bevorzugte Thema der partikularstaatliche Herrscher ("Landesvater") selbst. Das Denkmal wurde anlässlich eines Regierungsjubiläums oder als Ausdruck der Verehrung durch die Untertanen errichtet. Im Stuttgarter Denkmäler-Ensemble vertritt die Jubiläumssäule dieses Thema. Zu dieser Gruppe gehören auch die Denkmäler berühmter Vorfahren des regierenden Herrschers (Denkmal von Herzog Christoph). Beliebtes Thema waren ferner bedeutende Gelehrte, Reformatoren, Dichter, Künstler, Erfinder - überregional bedeutsame und bekannte Repräsentanten der deutschen Kulturnation. Derartige Denkmäler waren im Vormärz ebenso beliebt wie nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 im Gefolge der Wiederherstellung des Deutschen Bundes. In Stuttgart gehört das Schillerdenkmal zu dieser Gruppe.

In der Zeit nach 1870/71 blieben zwar die genannten Themen bestehen, traten dann aber gegen Ende des Jahrhunderts merklich hinter den Reiterstandbildern Kaiser Wilhelms I. zurück, der dem Willen seines Enkels Wilhelm II. folgend als Reichsgründer und oberster Kriegsherr dargestellt werden musste (Stuttgarter Landesdenkmal). Abweichungen von dieser Form sind gelegentlich anzutreffen, wenn das Denkmal an ein örtliches Ereignis anknüpfte; so erinnert zum Beispiel auf dem Schurwald ein Gedenkstein an den letzten Manöverbesuch des Kaisers in Württemberg.

 

Wenig vertreten war ursprünglich unter den partikularstaatlichen Nationaldenkmälern die Erinnerung an Opfer, vor allem an Gefallene. Eine Ausnahme stellte das Kaiserreich Österreich dar, wo schon im Gefolge der Freiheitskriege von 1809 viele Denkmäler für die Gefallenen sowie für Opfer der Justiz errichtet wurden. In den deutschen Kleinstaaten nahmen sie erst mit dem Krieg von 1870/71 zu und leiteten über zu der großen Welle der Errichtung von Kriegerdenkmälern im 20. Jahrhundert.

Die Frage nach dem Wann

Der Zeitpunkt der Denkmalsetzung kann Aufschlüsse darüber geben, in welchem historisch-politischen Kontext ein Ereignis oder eine Persönlichkeit für denkmalwürdig erachtet wurde. Diese Frage gibt weiterhin Auskunft darüber, welcher zeitliche Abstand zwischen der Denkmalsetzung und dem dargestellten Ereignis oder der Lebenszeit einer Persönlichkeit liegt. Der Abstand kann wertvolle Hinweise auf die Motivation zur Errichtung eines Denkmals geben. Das Stuttgarter Landesdenkmal ist dafür ein sehr gutes Beispiel.

Für die Deutung eines Denkmals ist auch der Zeitgeist bedeutsam, der zur Zeit der Denkmalsetzung herrschte. Er spiegelt sich häufig im Denkmal und kann gelegentlich die historische Wahrheit verdecken oder verzerren.

Der Zeitpunkt einer Denkmalsetzung gibt auch Hinweise auf die damals vorherrschenden künstlerischen Strömungen, die sich im Denkmal spiegeln können. Allerdings sind vor allem bei Nationaldenkmälern die Spielräume eng, da sich für diese Denkmaltypen schon relativ früh feste gestalterische Normen herausgebildet hatten. Dass aber wenigstens in der Planungsphase ein relativ breites künstlerisches Spektrum möglich sein konnte, zeigen z. B. die eingereichten Entwürfe für die Jubiläumssäule.

Die Frage nach dem Wie

Die Antwort darauf gibt Auskunft über den Denkmaltyp, der meist wichtige Hinweise für die Deutung des Denkmals geben kann. Man unterscheidet

  • Architektur-Denkmäler wie Bögen, Tore, Türme, Hallen oder Denkmalskirchen. Sie alle sind ein Hinweis auf einen Denkmalkult, wofür man einen besonderen Schauplatz brauchte. Meist handelte es sich bei den Architektur-Denkmälern um Nationaldenkmäler der Gesamtnation wie zum Beispiel das Völkerschlacht-Denkmal.

  • Säulen, Obelisken, Stelen: Die Säule galt seit alters als Siegeszeichen. Der Obelisk, der aus dem ägyptischen Totenkult stammt, ist besonders bei Kriegerdenkmälern anzutreffen.

  • Zum plastischen Denkmal gehört das Reiterstandbild, das bevorzugt für Feldherrn und Staatsgründer gewählt wurde. Ferner zählen dazu die Sitz- und Standfiguren, die vorrangig für Gelehrte, Dichter und Künstler verwandt wurden; sie haben ihren Ursprung in den Porträtstatuen der Sieger von Olympia. Schließlich werden auch die Reliefs zu den plastisch gestalteten Denkmälern gerechnet.

  • Die Inschrift-Tafeln und Gedenksteine gelten als eigener Denkmaltypus.

Verbale und nonverbale Sprache

Zu den verbalen Äußerungen gehören die Inschriften, deren Deutung für die Interpretation wichtig ist. Der Spielraum reicht von höchstem Wortreichtum bis zu äußerster Knappheit, ja bis zur Verschleierung. In den Inschriften treten häufig feststehende Formeln (Topoi) auf, wodurch die Deutung erschwert werden kann: Will ein Topos in traditioneller Form doch etwas Eigenständiges aussagen oder ist er im wahrsten Sinne des Wortes "nichtssagend"? Denkmäler ohne Inschriften sind selten. Im Stuttgarter Ensemble vertritt das Landesdenkmal diesen seltenen Fall.

Nonverbal spricht ein Denkmal auf unterschiedliche Weise:

  • Durch szenische Darstellungen: Diese sind sehr häufig am Sockel der Stand- oder Sitzfiguren angebracht, so beim Schiller-Denkmal und beim Denkmal für Herzog Christoph.

  • Durch Symbole und Allegorien: Bei den Nationaldenkmälern handelt es sich vor allem um die Allegorien der Nation, des Staates und der staatstragenden Tugenden und Leistungen, so bei der Jubiläumssäule.

  • Durch das Material des Denkmals, dem schon in der Antike bestimmte Bedeutungen beigemessen wurden wie dem Porphyr, der wegen seiner an den kaiserlichen Purpur erinnernden Farbe ausschließlich für Kaiserdenkmäler gewählt wurde. Wenn sich im Land kein Porphyr fand, suchte man wenigstens nach rötlichem Granit, einem Gestein, dem ohnehin schon die Bedeutung der Dauerhaftigkeit beigemessen wurde. Eine Doppelfunktion hatte die Bronze: Man gab ihr nicht nur den Symbolcharakter der Dauerhaftigkeit ("ehern"), sondern sie wurde darüber hinaus aus technischen Gründen für alle Teile eines Denkmals gebraucht, die gegossen werden mussten.

Die Frage nach dem Wo

Die Frage nach dem Denkmal-Standort ist für die Deutung sehr wichtig und betrifft nicht nur den ursprünglichen Standort, sondern auch einen möglichen neuen, wenn eine Denkmalversetzung vorgenommen wurde. Denkmäler brauchen wegen der Denkmalfeiern viel Platz um sich. Ferner sollte die Qualität des Standorts der Wichtigkeit der Thematik entsprechen. Gut durchdacht sollte auch die optische Wirkung am Standort sein.

Besonders geschätzt war für Nationaldenkmäler der Typus des Höhendenkmals. Auch das Landesdenkmal für Wilhelm I. war ursprünglich als Höhendenkmal geplant, ohne dass man dies aus der Betrachtung des Denkmals an seinem jetzigen Standort erschließen könnte. Das zeigt ein Problem bei der Deutung von Denkmälern: Ihr Öffentlichkeitscharakter ließ es nicht zu, dass man Schwierigkeiten oder Mängel, die sich bei der Errichtung gezeigt hatten, am Denkmal offen legte. Sie wurden eher verschleiert. Darum ist es notwendig, das Raster für die Erschließung von Denkmälern an ihrem Standort um einige Fragestellungen zu erweitern, die sich auf die archivalischen Spuren von Denkmälern beziehen.

Was das Denkmal verschweigt, verrät das Archiv

Denkmäler hinterlassen meist von den ersten Planungen an ihre Spuren in den zuständigen Archiven. An die dort deponierten Archivalien lassen sich unterschiedliche Fragen stellen, so vor allem die Frage nach den Auftraggebern, nach der Finanzierung und nach Einzelinformationen zur Denkmalplanung, -errichtung und -enthüllung.

Die Antwort auf die Frage nach den Auftraggebern kann besonders wichtige Hinweise zur Deutung eines Denkmals geben, denn sie gewährt Einblick in die unterschiedlichen Interessen, die in der Regel mit einer Denkmalsetzung verfolgt wurden. Diese Interessen prägten dann auch die Phasen des Entscheidungsprozesses, der schließlich zur Denkmalsetzung führte; und sie machten sich auch in der Bereitschaft oder Zurückhaltung bei der Finanzierung bemerkbar. Da das Denkmal selbst über derartige Interessenkonflikte in der Regel nichts verrät, bieten Archivalien den oft einzigen Zugang zum vertieften Verständnis eines Denkmals, seiner Brisanz und seiner Zielsetzungen.

Als Auftraggeber kommen Einzelpersonen ebenso in Betracht wie unterschiedliche Gruppen. Ein Einzelner konnte als Privatmann ebenso den Anstoß zu einer Denkmalsetzung geben wie als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens oder als Vertreter einer Dynastie. Eine Gruppe wie die Bürgerschaft, die Gesamtnation oder der Partikularstaat konnte weder als Gesamtheit die Initiative ergreifen, noch ihre Interessen als Gesamtheit artikulieren. Die tatsächlichen Initiatoren findet man daher in den Denkmalkomitees. Vertrat ein solches Komitee den Partikularstaat, gehörte ihm in der Regel ein Mitglied des Herrscherhauses als Federführender an (vgl. die Rolle des Kronprinzen bei der Errichtung des Landesdenkmals). Die Bürgerschaft einer Gemeinde wurde im Allgemeinen von den Honoratioren des Ortes vertreten. Doch auch die Komitees zeigten in der Regel kein einheitliches Interessenspektrum, weil darin meist massive Rivalitäten und Profilierungswünsche unter den Mitgliedern vorhanden waren. Geschah der Austrag dieser Interessenkonflikte in offener Diskussion, wurde die Auseinandersetzung protokolliert und uns damit erhalten. Manches findet sich auch im Briefwechsel von Schlüsselpersonen rund um die Entstehung eines Denkmals.

Popularität oder kritische Distanz werden auch aus den Spendenlisten deutlich, die schlaglichtartig die Einstellung breiterer Kreise der Bevölkerung und damit der denkmalsetzenden Gruppe erkennen lassen, die sonst nie aktenkundig geworden wäre. Eine solche Spendenliste ist darum ein besonders wertvolles Dokument für das tatsächlich gelebte Nationalbewusstsein. Außerdem macht sie deutlich, wie eng die Frage nach den Auftraggebern mit der Frage nach der Finanzierung eines Denkmals verknüpft ist.

Die Frage nach aufschlussreichen Einzelinformationen zu einem Denkmal und seiner Geschichte kann man kaum mit einem vorgegebenen Fragenkatalog bearbeiten. Dies hat seinen Grund in der Bandbreite unterschiedlicher Quellengattungen, die sich in einem Aktenbündel finden können, das der Errichtung eines Denkmals gewidmet ist (Modelle, Ausschreibungen, Kostenvoranschläge, Protokolle, Festreden, Telegramme, Programme und Kleidervorschriften für die Eröffnungsfeierlichkeiten, Zeitungsberichte über die Denkmalsenthüllung und später über die Denkmalfeste). Man kann für den unterrichtlichen Einsatz nur die bewährte archiv-pädagogische Empfehlung geben, Schlüsseldokumente auszuwählen, die zugleich eine möglichst niedrige Schrift- und Sprachbarriere aufweisen, damit man den Schülern diese Quellen tatsächlich zur Bearbeitung vorlegen kann. Man kann auch einmal mit einer Transkription arbeiten, aber dem Original ist im Lernort Archiv stets der Vorzug zu geben.

Botschaft, Geltungsanspruch, Funktionen

Was das Denkmal selbst über sich aussagt, was es verschweigt und was dafür das Archiv verrät - dies alles zusammen gesehen ergibt am Ende der Untersuchung das Material für die Deutung eines Denkmals: die Botschaft, die es übermitteln will; den Geltungsanspruch, den es erhebt; und die Funktion, die es erfüllen soll.

Die Botschaft kann, je nach Denkmalthema und -typus, sehr unterschiedlich sein. Der Geltungsanspruch lässt bei Nationaldenkmälern keine große Bandbreite an Möglichkeiten zu:

  • Das Denkmal kann einen nationalstaatlichen Anspruch erheben, wie das Landesdenkmal für Kaiser Wilhelm I.;

  • es kann sich auf den Partikularstaat beschränken, so die Jubiläumssäule,

  • oder sich - zu Zeiten als der nationalstaatliche Akzent noch nicht möglich war - auf die Kulturnation beziehen.

Die Funktion besteht bei den unterschiedlichen Formen von Nationaldenkmälern vorrangig in der kollektiven Erinnerung an ein für den eigenen Partikularstaat oder für die Nationwerdung bedeutsam erscheinendes Ereignis oder eine dafür wichtige Persönlichkeit.

Für jede Art von Denkmal gilt die Funktion der ewigen Dauer. In Erz gegossen und auf einen granitenen Sockel gehoben zu werden, erschien zu allen Zeiten als eine Garantie, der Vergessenheit späterer Generationen zu entgehen - ein Irrtum, da es zu allen Zeiten auch den Denkmalsturz gegeben hat. Die Funktion der historischen Vergewisserung ist für jene Denkmäler typisch, die in der Spätzeit einer Epoche, sozusagen von den Enkeln, für die großen Gründerpersönlichkeiten errichtet wurden. Herrscher, deren politischer Einfluss verblasste, sonnten sich im Glanze ihrer Vorgänger und errichteten ihnen Denkmäler. Eine Sonderform stellt die Vergewisserung einer Loyalität dar. Hier kann es sich um die Loyalität eines Volkes zu seinem Herrscher handeln. Aus dieser Haltung entstanden die unterschiedlichen Denkmäler zu Regierungsjubiläen. Mahnmale entstanden und entstehen, wenn Überlebende eines Krieges oder einer Katastrophe ihre Verbundenheit mit den Opfern zum Ausdruck bringen wollen. Dadurch werden zugleich für die nachfolgende Generation Erfahrungen konserviert, die helfen sollen, dass diesen ein vergleichbares Schicksal erspart bleibt.

Wirkung von Denkmälern

Die Wirkungsgeschichte eines Denkmals gehört eigentlich nicht mehr zu seiner Deutung, ist aber ein wichtiger Hinweis darauf, inwieweit vor allem die Botschaft eines Denkmals, aber auch seine damit verbundene künstlerische Gestaltung von den Zeitgenossen oder auch von späteren Generationen beurteilt wurden oder werden. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Rezeption eines Denkmals.

An erster Stelle steht das angenommene Denkmal. Es wird inhaltlich und formal zumindest von den Zeitgenossen voll akzeptiert. Deutlichstes Zeichen dafür waren im 19. und frühen 20. Jahrhundert regelmäßig wiederkehrende Denkmalfeste wie die Schillerfeiern rund um das Stuttgarter Schillerdenkmal. Wichtig ist jedoch, genau zu prüfen, ob derartige Feiern tatsächlich spontan aus der Bevölkerung, zum Beispiel von Vereinen getragen wurden. Denn verordnete Denkmalsfeste, wie sie in autoritären Systemen auftreten können, geben natürlich keine Auskunft über die Annahme eines Denkmals.

Das nicht angenommene Denkmal fordert aus inhaltlichen oder formalen Gründen die Zeitgenossen zum Widerspruch heraus. Die Folge kann die Errichtung eines so genannten Gegendenkmals sein, das die im ursprünglichen Denkmal vorgegebenen Inhalte in ihr Gegenteil verkehrt. Ein solch aufwändiges Verfahren kommt selten vor. Schneller und spontaner ist das Beschmieren oder Beschädigen des abgelehnten Denkmals bis hin zum Denkmalsturz. Eine solche Ablehnung kann auch lange Zeit nach der ursprünglich positiv gesehenen Denkmalsetzung erfolgen, wie dies die Vorgänge um das Karlsruher Kaiserdenkmal im Jahr 1998 zeigen (vgl. Einleitung).

Der Denkmalsturz ist allerdings häufiger Ausdruck der Abrechnung eines Regimes mit seinem Vorgängerregime, trifft dessen Denkmäler und geschieht offiziell (zum Beispiel im Zuge der Entstalinisierung). Bei einer grundlegenden Veränderung der politischen Lage kann es gelegentlich auch zur Umwidmung von Denkmälern kommen.

Schließlich gibt es viele Denkmäler an die man sich einfach gewöhnt hat. Man nimmt sie nur noch als Teil der Stadtlandschaft wahr, möchte sie da auch nicht missen. Aber es gibt keine Auseinandersetzung mehr mit ihrem Thema; sie sind historisch gewordene, vergessene Denkmäler. Trotzdem kann unter bestimmten Voraussetzungen ein solches Denkmal plötzlich für Schlagzeilen sorgen und über ein Jahrhundert nach seiner Errichtung unter den Bürgern von heute zur Parteinahme herausfordern, wie es erst jüngst in Stuttgart im Streit um die Versetzung des Landesdenkmals für Kaiser Wilhelm I. geschah. Dieses Denkmal, das erst ungewöhnlich spät nach der Reichsgründung errichtet worden war, führt heute die Bürger der Stadt ohne Rücksicht auf politische Richtungen in der Verteidigung des alten Denkmalstandortes zusammen (A 9). Die Entstehungsgeschichte (A 13 bis A 17) spielt keine Rolle mehr, verteidigt wird ein geschichtlich geprägter und vertrauter Teil der Stadtlandschaft.

 

Hinweise zu den Materialien

Schillerdenkmal (A 1, A 2)

Höhe der Standfigur des Dichters 3,86 m; Anhebung über Niveau des Standorts durch Stufen und Sockel 5,70 m; Modellierung der Figur von Bertel Thorvaldsen, dem führenden Bildhauer der Zeit; Guss in München aus dem Metall von Kanonen, die im griechischen Freiheitskampf in der Schlacht bei Navarino 1827 erbeutet worden waren; Symbolik: Schiller als Integrationsfigur für das Streben nach einem deutschen Nationalstaat; Sockelarchitektur vom württembergischen Hofbaumeister Nikolaus von Thouret; Finanzierung über Sammlungen und Lotterien.

Deutungshinweise für die Arbeit mit den Schülern

Die Sockelreliefs dienen der Verherrlichung Schillers: An der Vorderseite trägt ein Adler, auf dessen Flügeln eine Weltkugel ruht, die Werke des Dichters; auf den beiden Seitenreliefs erkennt man den Genius der Poesie und die Siegesgöttin Viktoria. Die vierte Seite zeigt die Bauinschrift. Die in sich gekehrte Haltung des sinnend dargestellten Dichters, die durch den Mantel noch unterstrichen wird, wurde von den Zeitgenossen als allzu unpolitisch kritisiert. Schon 1824 hatte der Stuttgarter Liederkranz bei seiner Gründung ein Schillerdenkmal geplant. Die Ausführung lag dann aber bei einem eigenen Verein, der sich aus dem Liederkranz herausgebildet hatte. Das Denkmal war nicht von König und Adel, sondern vom Bürgertum getragen worden - Ausdruck des Wunsches, dass die Kulturnation auch zu einer politischen Nation werden möge. Die Denkmalsenthüllung geriet zum größten Fest, das das Bürgertum im 19. Jahrhundert in Stuttgart gefeiert hat.

Für die Bewertung des Denkmals ist ein Hinweis auf die Probleme der Standortwahl wichtig. Zunächst war an Schillers Geburtsort Marbach gedacht. Dann erhielt Stuttgart den Vorrang als geistige Heimat des Dichters (Hohe Karlsschule) und als Residenzstadt. In Stuttgart war zunächst ein Denkmal am Stadtrand auf freiem Feld geplant (Raum für die Denkmalfeste, die schon als alljährliche Veranstaltungen 1824 vorgesehen waren). Dann gab man aber doch dem Standort vor dem Alten Schloss den Vorrang. Dafür sprachen die zentrale Lage und die Schönheit des Platzes. Man sollte die Schüler, die den Platz vor dem Neuen Schloss als repräsentativer empfinden dürften, darauf hinweisen, dass dieser Platz 1839 noch ein Exerzierplatz war und seine Gestaltung erst im Gefolge der Errichtung der Jubiläumssäule erhielt. - Nicht nur die Schillerfeiern der Vergangenheit sind Teil der Rezeptionsgeschichte; auch die Zeitgeschichte kann dazu einen Beitrag leisten: Das Denkmal bekam nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal eine politische Dimension: Die wertvolle Figur war während des Krieges im Wagenburgtunnel in Sicherheit gebracht worden und durfte schon im November 1945 mit Genehmigung der amerikanischen Besatzungsmacht mitten im zerbombten Stuttgart wieder errichtet werden - Hinweis auf die Kontinuität humanen Denkens trotz der Gräuel der NS-Herrschaft.

Die Jubiläumssäule (A 3 bis A 5)

Von Hofbaumeister John Michael von Knapp gestaltete 30 m hohe Säule aus Granit; an den Ecken des Unterbaus vier Allegorien: Kunst und Wissenschaft, Handel und Gewerbe, Landwirtschaft, Wehrstand (Standfiguren aus Bronze); an den Sockelseiten Bronzereliefs mit Szenen aus den Feldzügen gegen Napoleon 1814, an denen König Wilhelm teilgenommen hatte, sowie - an der Stirnseite, dem Schloss zugewandt - die Huldigungsszene der Ständeversammlung vor dem König 1841; auf dieser Seite auch die Widmungsinschrift: "Dem treuen Freund seines Volkes, König Wilhelm dem Vielgeliebten, widmen die Stände Württembergs dieses Denkmal zur Feier seines fünfundzwanzigjährigen Regierungs-Jubiläums, den 30. Oktober 1841"; Bekrönung der Säule durch eine 5 m hohe Konkordia von 1863 (vom König in Auftrag gegeben; Blickrichtung vom Schloss weg zur Stadt!).

Deutungshinweise für die Arbeit mit den Schülern

Die Errichtung erfolgte 1841 bis 1846 im Auftrag der Ständekammern Württembergs (Kammer der Standesherren und Kammer der Abgeordneten). Die Jubiläumssäule sollte die kollektive Erinnerung an das 25-jährige Regierungsjubiläum König Wilhelms I. von Württemberg festhalten, das am 29.9.1841 mit einem Festzug der Württemberger gefeiert worden war. In dem über zehntausend Menschen umfassenden Festzug hatte jedes Oberamt das in ihm Typische gezeigt. Den Mittelpunkt des Aufmarsches vor dem Neuen Schloss hatte eine 25 Meter hohe Festsäule aus Holz gebildet, auf deren achteckigem Unterbau die Wappen der 64 Oberämter zu sehen waren. Diese Säule hatte schon sehr früh den Anstoß für den Gedanken gegeben, ein ähnlich gestaltetes Erinnerungsdenkmal zu errichten.

Die Sprache des Denkmals ist sehr knapp, dafür sagen die Archivalien umso mehr über seinen Geltungsanspruch und seine Funktion aus. Immerhin können die Schüler dem Denkmal aus seiner Inschrift entnehmen, dass es sich um ein Denkmal besonderer Art handelt: Es wurde nicht von der Dynastie für die Dynastie errichtet, sondern die Stände ergriffen die Initiative für die Errichtung eines Denkmals, das eigentlich nicht einer Person, sondern dem Verhältnis von Herrscher und Volk zueinander gewidmet ist. Die Loyalität, die sich beim Festzug des Regierungsjubiläums gezeigt hatte, wird sozusagen in einem Denkmal konserviert.

Die lange Dauer der Errichtung hat dann der positiven Einstellung beider Seiten zu dem Denkmal geschadet. Ungeschicklichkeiten des Künstlers, die die Kosten in die Höhe trieben, spielten dabei ebenso eine Rolle, wie das sich verändernde politische Klima: Als das Denkmal bis auf die Spitze fertig war, hatte sich die Situation im Vormärz bereits so verschärft, dass man die Übergabe des Denkmals nicht einmal in einer öffentlichen Feier, sondern hinter verschlossenen Türen im Audienzsaal des Schlosses beging. Mehrere Jahre zog sich dann noch der Streit um die Bekrönung hin: Die Ständevertreter wollten ein Standbild des Königs auf die Spitze setzen, was dieser nicht nur zu seinen Lebzeiten strikt ablehnte, sondern auch für die Zukunft verhinderte. Er gab die Statue der Konkordia in Auftrag, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem die Ausgestaltung des Schlossplatzes in Angriff genommen wurde. Im Zusammenhang damit entstanden auch die beiden in Wasseralfingen gegossenen Brunnen, die beide Denkmalcharakter haben: sie zeigen in ihren allegorischen Darstellungen zum einen die Flüsse des Landes, zum andern seine Ressourcen.

Denkmal für Herzog Christoph (A 6)

Höhe der Standfigur des Herzogs 3 m, in der Kleidung des 16. Jahrhunderts. Höhe des Postaments 4,50 m; auf dem Sockel vier Rundreliefs mit Szenen aus dem Leben des Herzogs, sämtliche nach historischen Vorlagen (ein Bilderbuch zur Geschichte Württembergs); Auftraggeber König Karl I. von Württemberg aus Anlass seines 25-jährigen Regierungsjubiläums 1889, Auswahl des Standorts durch König Karl.

Deutungshinweise für die Arbeit mit den Schülern

Ein Vergleich mit der Jubiläumssäule zeigt die Problematik: Beide sind Denkmäler, die aus Anlass eines Regierungsjubiläums errichtet wurden - aber in je unterschiedlicher Situation. Mit der Jubiläumssäule entstand, getragen von Volk und Ständeversammlung, ein Nationaldenkmal eines souveränen Partikularstaates. Mit dem Denkmal für Herzog Christoph entstand dagegen ein Geschichtsbuch, in dem die große Vergangenheit eines Herrschers in einem Partikularstaat aufgezeigt wurde, der inzwischen durch die Reichsgründung seine Souveränität weitgehend verloren hatte und dessen Herrscher sich nur noch im Glanz des großen Vorfahren sonnen konnte. Aus der Geschichte wird die Vergewisserung einer Bedeutung geholt, die in der politischen Realität nicht mehr vorhanden ist.

Landesdenkmal für Kaiser Wilhelm I. (A 7 bis A 9)

Reiterstandbild von 4,90 m Höhe (Kaiser Wilhelm I. als Soldat) auf einem 4,35 m hohen Sockel mit Relief des Reichsadlers an der Stirnseite (keine Inschrift!); errichtet auf einer 1,20 m hohen rechteckigen Terrasse, zu der sieben Stufen führen; an der Rückseite zwei Granitobelisken mit der Aufzählung der deutschen Siege von 1870/71, an der Vorderseite zwei ruhende Löwen; Standort Karlsplatz zwischen Altem Schloss und ehemaligem Waisenhaus; Initiativen ausgehend von einem Denkmalkomitee, das landesweit agierte; Bildhauer Wilhelm von Rümann, Architekt Friedrich Thiersch; Enthüllung 1.10.1898.

Deutungshinweise für die Arbeit mit den Schülern

Dieses Denkmal kann ohne das Studium im Archiv nicht richtig interpretiert werden. Erst durch die Kenntnis einiger Archivalien erschließt sich das Monument als ein Zeugnis für den gelebten Nationalismus in den Partikularstaaten des Deutschen Reiches. Zunächst sollen aber die Schüler versuchen, nur aus der Begegnung mit dem Denkmal die Beweggründe herauszufinden, die zu seiner Errichtung geführt haben. Der zweite Schritt, die Beschäftigung mit den Quellen, führt dann dazu, dass die anfängliche Interpretation des Standbildes teils in Zweifel gezogen, manchmal sogar in sein Gegenteil verkehrt wird.

Das Fehlen einer Inschrift verweist die Schüler völlig auf die Deutung der Form. Die aufwändige Anlage der Architekturteile, das von Pathos beherrschte Reiterstandbild, die Obelisken mit den deutschen Siegen und der zentrale Standort nahe dem Alten und Neuen Schloss erwecken den Eindruck, als bestünde zwischen dem offiziell verordneten Denkmalkult der Zeit Kaiser Willhelms II. und dem damit zum Ausdruck gebrachten verordneten Nationalismus keine Diskrepanz. Es scheint so, als sei alles nach Plan realisiert worden. Die Recherche im Archiv ergibt jedoch rasch, dass es anders war. Die scheinbar großzügige Anlage war ursprünglich noch weit aufwändiger geplant, aber das durch Spenden gesammelte Geld reichte dafür nicht aus. Der zentrale Standort ist ebenfalls eine Sparversion, denn eigentlich war ein Höhendenkmal vorgesehen. Sehr aufschlussreich ist auch das Datum der Denkmalsenthüllung: Erst 27 Jahre nach der Reichsgründung wurde das Denkmal nach zehnjähriger Planung fertig; viele kleinere Orte hatten zu dieser Zeit längst ihr Kaiserdenkmal. Es gelang auch nicht, das Denkmal wenigstens bis zum 100. Geburtstag Kaiser Wilhelms I., zum 22. März 1897, fertigzustellen. Als die Enthüllung dann am 1. Oktober 1898 stattfand, war auch seit dem Sedanstag, dem 2. September, schon ein Monat verstrichen. Entsprechend distanziert war auch das Verhältnis zwischen den beiden Herrschern: Kaiser Wilhelm II. und Wilhelm II., König von Württemberg. Das Archiv, nicht das Denkmal selbst, verrät ihre Einstellung zum Denkmal und zur Enthüllungsfeier (A 13 bis A 17).

Die Karikatur aus der Stuttgarter Zeitung vom 2. Juni 2001 (A 9) ist ein Beweis dafür, dass die Rezeptionsgeschichte eines Denkmals noch nach langer Zeit eine Wendung nehmen und ein schon vergessenes Denkmal wieder Aktualität gewinnen kann. Der Anlass für diese Karikatur war der Versuch des Stuttgarter Oberbürgermeisters Schuster, das Denkmal vom Karlsplatz wegzuversetzen, um dort einen großen Festplatz zu schaffen. Die Absicht lös-te nicht nur in den Fraktionen des Gemeinderats, sondern auch bei der Stuttgarter Bevölkerung Widerspruch aus. Man forderte geschlossen die Belassung des Denkmals an seinem Ort. In der Presse wurde darauf verwiesen, dass es dabei nicht um eine politische, propreußische Haltung gehe, sondern um den Wunsch, dem Stadtbild einen seiner wesentlichen und den Bürgern vertrauten Blickpunkte zu erhalten.

Erinnert man sich an die Distanziertheit, die sich im Königreich Württemberg bei der Planung und Errichtung des Denkmals gezeigt hatte, amüsiert die heutige Reaktion in doppelter Hinsicht. Die Karikatur lebt nicht nur von dem gängigen Mittel der Überzeichnung, sondern arbeitet ebenso ausgeprägt mit inhaltlichen Mitteln, um einen Volksaufstand zu charakterisieren, den ausgerechnet der Kaiser selbst anführt. Die Waffen - traditionell die von Bauernrevolten bekannten - und die Darstellung unterschiedlicher kleinbürgerlicher Typen verdeutlichen das.

Archivalien zur Entstehungsgeschichte 
der Jubiläumssäule (A 10 bis A 12)

A 10: Ausschnitt aus der Bildtafel zu: Die Jubiläumssäule in Stuttgart von Archivar Dr. Adam und Regierungsdirektor von Leibbrand, Separatdruck aus der Monatsschrift des Vereins für Baukunde in Stuttgart, Stuttgart 1893 (HStA Stuttgart L15, F2, 5a)

A 11: Erläuterung Knapps zum ersten seiner beiden Entwürfe (HStA Stuttgart L15, F2, 5b, f 12/7)

A 12: Rede des Präsidenten der Kammer der Standesherrn, Fürst Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, gehalten am 27.9.1842 bei der Grundsteinlegung zur Jubiläumssäule, abgedruckt in der Schwäbischen Chronik vom 1. Oktober 1842, S. 1069 (HStA Stuttgart B 2002 / 1/10)

Deutungshinweise für die Arbeit mit den Schülern

A 10: Bis Ende Mai 1842 waren für die Gestaltung der Jubiläumssäule zehn Entwürfe eingereicht worden, die in dem oben genannten Aufsatz erläutert und zum Teil abgebildet wurden. Der erste Bildausschnitt zeigt das gemeinsame Vorbild, die Holzsäule, die für den großen Festzug zum 25-jährigen Regierungsjubiläum als eine Art Wendemarke gedient und das Vorbild für das Denkmal gebildet hatte; daneben die beiden extremsten Gestaltungsmöglichkeiten: zum einen die zwei relativ eng an ihr ausgerichteten Entwürfe des Hofbaumeisters Knapp und zum andern den aufwändigen Vorschlag von Carl Alexander Heideloff, damals schon Professor in Nürnberg. Sein Entwurf soll den Schülern die Variante eines Architekturdenkmals vorstellen und damit das Material für einen Denkmalvergleich bieten: Heideloff sah in dem großen Unterbau eine Halle vor, in deren Mitte ein kleiner runder Raum ausgespart sein sollte, in dem die Verfassung des Landes und andere wichtige Dokumente aufbewahrt werden konnten.

A 11: Neben dem Bezug auf den äußeren Anlass für die Errichtung der Säule wird aus seinen Worten die Intention des Denkmals deutlich: Es soll ein Zeichen kollektiven Erinnerns an die Liebe und an den Dank des Volkes entstehen.

A 12: Ein Jahr nach dem Regierungsjubiläum anlässlich der Geburtstagfeier des Königs fand bereits die Grundsteinlegung für die Jubiläumssäule statt. Auch hier wurde zunächst auf den Anlass eingegangen, jedoch subtiler als von Knapp in A 11: Unterscheidung von Erinnerung im Herzen und Erinnerung durch das sichtbare Denkmal. Subtiler wurde auch die Intention der Denkmalserrichtung erläutert: nicht nur kollektives Erinnern an Anhänglichkeit und Liebe zum Regenten, sondern auch Ausdruck der Einigkeit und des Vertrauens zwischen Volk und König. Hier wird eindeutig ausgesagt, dass es sich um kein Herrscherdenkmal handelt, sondern um ein dem Verhältnis zwischen Regent und Volk errichtetes Denkmal. Dies macht die Besonderheit und zugleich Seltenheit der Jubiläumssäule aus.

Archivalien zur Kontroverse um das Kaiserdenkmal (A 13 bis A 17)

A 13: Brief des Thronfolgers Prinz Wilhelm an seinen Onkel, König Karl von Württemberg (HStA Stuttgart E 14 Bü 834)

A 14: Telegramm an König Wilhelm II. von Württemberg (HStA Stuttgart E 14 Bü 834)

A 15: Telegramm König Wilhelms II. von Württemberg an Kaiser Wilhelm II. (HStA Stuttgart E 14 Bü 834)

A 16: Telegramm Kaiser Wilhelms II. an König Wilhelm II. von Württemberg (HStA Stuttgart E 14 Bü 834)

A 17: Programm der Enthüllungsfeier des Landesdenkmals für Kaiser Wilhelm I. (HStA Stuttgart E 14 Bü 834)

Deutungshinweise für die Arbeit mit den Schülern

A 13: Der Brief ist eine besonders aussagekräftige Quelle zum Verständnis des Landesdenkmals, denn er gibt Hinweise auf den gelebten Nationalismus im Partikularstaat Württemberg, die das Denkmal nicht verrät:

  1. Geplant war ein Höhendenkmal - aufwändige Ausdrucksform des von Berlin her verordneten Nationalismus und der Heldenverehrung für den Reichsgründer zur Zeit Kaiser Wilhelms II.

  2. Die Planung scheiterte am zu geringen Spendenaufkommen. Die Bitte an den König um die Schenkung des Geländes am heutigen Standort ist Ausdruck des Bemühens, wenigstens einen doch noch hinreichend repräsentativen Standort im Zentrum der Stadt zu finden.

  3. Im Denkmalkomitee, dessen Ehrenpräsident der Kronprinz war, saßen jene einflussreichen Persönlichkeiten, die stellvertretend für die Gesamtheit der Auftraggeber die Entscheidungen fällen und mögliche Konflikte austragen mussten.

  4. Der Stil des Briefes ist ein wichtiger Beleg für die Spiegelung von Herrschaftsverhältnissen (König, Kronprinz und Denkmalkomitee) in der Sprache.

  5. Da sich die Errichtung des Denkmals über zehn Jahre hinzog, wird Kronprinz Wilhelm bei der Enthüllung bereits württembergischer König sein.

A 14: Dieses und die beiden folgenden Telegramme bilden eine Einheit: Das gespannte Verhältnis zwischen König Wilhelm II. von Württemberg und Kaiser Wilhelm II. wirft deutliche Schatten auf die Feier der Enthüllung des Landesdenkmals. Im Falle dieses ersten Telegramms ist es das fast schon brüskierende Fernbleiben des Kaisers bei der Denkmalsenthüllung - steht es doch in deutlichem Gegensatz zu seinem sonstigen starken Interesse an der Errichtung von Nationaldenkmälern zu Ehren seines Großvaters und damit zugleich der Reichsgründung. Der Aktenvermerk, dass Seine Majestät dieses Telegramm selbst beantwortet, verweist auf die hohe Bedeutung, die man bei Hof der Sache beimaß.

A 15: Das kritische Verhältnis der beiden Regenten wird hier nicht nur in der Distanziertheit des Textes spürbar, sondern vor allem in dem, was der König durchgestrichen hat. Es ist der Vorteil der Originalquelle, dass sie solche Zeichen der Arbeit des Schreibers am Text überliefert. "Ich beeile mich diese Meldung" - dann wird der Satz nicht weitergeführt und das schon Geschriebene durchgestrichen. Es folgt grußlos die Unterschrift. Ohne Zweifel ist das "Ich beeile mich..." gemessen am übrigen kühl referierenden Ton des Telegramms viel zu sehr Ausdruck einer Art von vorauseilendem Gehorsam (beeilen, Meldung), den Kaiser möglichst fast noch zeitgleich zu den Vorgängen zu informieren. Das ist für König Wilhelm nicht zumutbar. Und so bleibt es bei dem knappen Bericht.

A 16: Die Antwort des Kaisers auf die distanzierte Nachricht aus Stuttgart ist auf ihre Art auch distanziert. Die Wirkung geht von dem hohlen Pathos aus. Dieses ist für die Schüler an der Wortwahl vor allem der letzten drei Zeilen des Telegramms leicht ablesbar. Hier sollte darauf verwiesen werden, dass sich vergleichbare pathetische Formulierungen in vielen offiziellen Äußerungen Kaiser Wilhelms II. finden. Häufig entdeckt man auch die gleichen Fehler - hier die schiefen Bilder, wenn Stein und Metall als zäh bezeichnet werden. Man sollte auch darauf hinweisen, wie genau der Kaiser die nonverbale Sprache des Denkmals durch sein Material (Granit, Bronze, "der Stein und das Metall") wahrgenommen hat.

A 17: Der hinter den Baumgruppen aufragende Eckturm des Alten Schlosses dokumentiert den angemessenen Standort des Denkmals. Dass der Platz eine Notlösung war, kann man nach diesem Bild nicht erahnen. Das Foto des Denkmals ist gestalterisch außerordentlich geschickt verarbeitet: Da der Fotograf wegen der Stufen des Denkmals tiefer stehend fast schon aus der Froschperspektive arbeiten musste, diese Stufen aber im Oval des Bildausschnitts nicht erkennbar sind, entsteht ein Gesamteindruck, der das Reiterstandbild überhöht. Bei der Erwähnung des Datums sollte man auf das lange Hinauszögern nicht nur der Errichtung, sondern auch des Enthüllungstermins hinweisen, um an die - nach außen verdeckten - Spannungen zu erinnern. Im Programm ist ein deutliches Übergewicht des Hofes und des Militärs bei der Feier zu erkennen. Das Bürgertum war nur durch die Vereine repräsentiert. Den Schülern dürfte beim Lesen der Programmpunkte rasch der patriotische Ton auffallen, der die lokalen Identitäten zu Gunsten eines aufgesetzten Reichspatriotismus verdeckt: Regionalismen wurden in offiziellen Äußerungen dieser Art überspielt. Die ganzheitliche Überlieferung des Originaldokuments zeigt, dass es nicht um seiner selbst willen aufbewahrt wurde: es trägt handschriftliche Vermerke, die die Teilnehmer an der Feier wissen mussten: Mehrfach unterstrichen: "siehe Rückseite!" nach der Festrede: "der Minister bittet um die Allerhöchste Genehmigung zur Enthüllung." Vor dem Vorbeimarsch: "Seine Majestät begeben sich zum Denkmal hinüber, legen den Kranz nieder und bleiben alsdann dort während der Parade (...)". Es folgt auf der Rückseite eine Kleidervorschrift für das Erscheinen bei der Denkmalsenthüllung (Uniform, Zivil).

Mögliche Aufgaben

A 1, A 2 (Schillerdenkmal)

1. Stelle fest, ob Symbole oder Inschriften Hinweise darauf liefern, dass es tatsächlich als Nationaldenkmal bezeichnet werden kann. 2. Von den Zeitgenossen wurde es als Nationaldenkmal gesehen; welche Bedeutung bekam der Dichter Friedrich Schiller dadurch für die Zeit vor der Gründung des Deutschen Reiches? Weshalb konnte gerade ein Dichter diese Bedeutung bekommen? 3. Bewerte die Qualität des Standorts für dieses Denkmal.

A 3 bis A 5, A 11 und A 12 (Jubiläumssäule)

1. Beschreibe die Säule; stelle fest, welche Hinweise die Beschreibung über das Thema dieses Denkmals gibt. 2. Was sagen die beiden Quellen über die Zielsetzung des Denkmals aus? Vergleiche diese mit der Aussage der Säule.

A 6 (Herzog Christoph)

Bei der Errichtung dieses Denkmals hatte es keine Auseinandersetzungen gegeben. Und selbst heute kümmert sich kaum jemand darum. Suche nach Gründen für beide Verhaltensweisen.

A 7, A 8, A 13 (Landesdenkmal)

1. Beschreibe das Denkmal. Was sagt die Beschreibung über die Ziele aus, die mit der Errichtung des Landesdenkmals verbunden waren? 2. Worin besteht die zentrale Aussage von A 13? Welchen Einfluss hat die Kenntnis dieses Briefes auf die Bewertung des gesamten Denkmals, wie wir es heute kennen?

A 14 bis A 16 (Telegramme zum Landesdenkmal)

Was sagen die Telegramme über das Verhältnis der beiden Regenten - König Wilhelm II. von Württemberg und Kaiser Wilhelm II. - zueinander aus?

A 17 (Programm zur Denkmalsenthüllung)

Vergleiche die Aussagen der drei Telegramme mit dem offiziellen Programm für die Enthüllung des Denkmals.

A 9 (Karikatur zum Landesdenkmal)

1. Beschreibe die Karikatur und erkläre die Mittel, mit denen die Zeichnerin den Eindruck eines Volksaufstands hervorruft. 2. Wie unterscheidet sich die Haltung der Karikaturistin zum Denkmal von der, die im Programm der Denkmalsenthüllung deutlich wird?

Anregungen für Projekte

Für die Sekundarstufe I wäre ein vertretbares Ziel eines Projekts schon mit dem Sammeln, Beschreiben und Erfassen (z. B. mit einer Fotodokumentation) erreicht. Auf der Sekundarstufe II wird in einem Projekt von Anfang an auf das Deuten, Infragestellen und Bewerten hingearbeitet und die Entwicklung von Alternativen angestrebt. Das Erfassen des Denkmalbestands am Beginn der Arbeit stellt in einem solchen Fall nur den notwendigen Materialbezug her, den man zu einem Transfer auf verwandte Denkmäler braucht.

Ein Projekt kann sich

a) auf mehrere Denkmäler in einer Stadt beziehen

b) auf mehrere Denkmäler in der Region (vor allem wenn der Schulort nur klein ist)

c) auf ein einziges Denkmal (wenn dieses entsprechend vielschichtige Probleme aufwirft).

a) Befinden sich die für das Projekt vorgesehenen Denkmäler in einer Stadt, empfiehlt sich für die erste Phase des Sammelns, Beschreibens und Erfassens arbeitsgleiche Gruppenarbeit, die rasch zu einer vollständigen und multiperspektivischen Erfassung des Denkmälerbestands führt. Ist die Stadt sehr groß und der Denkmälerbestand umfangreich, ist aus rationellen Gründen arbeitsteiliges Vorgehen nach Stadtvierteln zu empfehlen. Danach werden die vorgefundenen Denkmäler nach den Kriterien des Transferrasters von den einzelnen Gruppen präsentiert. Bei arbeitsgleichem Vorgehen werden in dieser Vorstellung auch die Ergebnisse der Gruppen verglichen, Erkenntnisse vervollständigt oder kontrastiert. Es folgt die zweite Phase, die vertiefende Beschäftigung mit dem Denkmal, vor allem durch das Aufsuchen und Auswerten von Archivalien. Die dritte Phase bringt dann die Problematisierung und schließt auch die produktorientierte Arbeit ab. Besonders motivierend sind Problematisierungen, die einen kritischen Gegenwartsbezug haben. Als Leitlinien für derartige Problemstellungen sind die folgenden Denkanstöße möglich: Besteht der Wunsch, ein schon vorhandenes Denkmal anders zu gestalten? Besteht zur Vervollständigung des Denkmälerbestands der Wunsch nach einem Denkmal für eine bestimmte Person oder Personengruppe aus einer bestimmten Zeit? Wie würde man ein solches Denkmal gestalten? Welche Alternativen zur Denkmalsetzung gibt es - vor allem für verdiente Persönlichkeiten der jüngeren und jüngsten Vergangenheit?

b) Befinden sich die für das Projekt vorgesehenen Denkmäler in der Region des Schulorts verteilt, empfiehlt sich für die Anfangsphase ein arbeitsteiliges Vorgehen - je Ort der Region eine Gruppe. Im Übrigen kann am Vorgehen der Dreischrittigkeit von Erfassung, Vertiefung und Problematisierung mit den ihnen jeweils entsprechenden Fragestellungen festgehalten werden.

c) Beschäftigt sich das Projekt mit nur einem Denkmal, müssen die Anforderungen an die Vielschichtigkeit seiner Aussage und an die unterschiedlichen Formen seiner Akzeptanz oder Ablehnung hoch angesetzt werden, damit auch tatsächlich die unterschiedlichen Aspekte eine sinnvolle Füllung des Projekts ermöglichen. Für ein Denkmal, das durch einen aktuellen Konflikt zum Projektthema geworden ist, empfiehlt es sich ganz besonders, bei der Methodenplanung die Umfrage und das Interview stark zu gewichten. Diese beiden handlungsorientierten Methoden wirken bei den Schülern im Allgemeinen für die Projektarbeit sehr motivierend und fördern vor allem für das Fach Gemeinschaftskunde die Methodenkompetenz.

Der Tag des offenen Denkmals

Die hier dargestellten Vorschläge zur Einbindung von Denkmälern in die schulische Arbeit orientieren sich überwiegend an Schwerpunkten der Lehrpläne im Umfeld der Entstehung eines geeinten deutschen Nationalstaats. Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, die Gestaltung und Aussage von Denkmälern in das Bewusstsein nicht nur der Schüler, sondern auch der Bürgerschaft einer Gemeinde zu heben. Dies ist über eine Verbindung mit Veranstaltungen der Denkmalpflege an vielen Orten realisierbar.

Jedes Jahr im September wird der Tag des offenen Denkmals begangen. Dabei werden der Öffentlichkeit denkmalgeschützte und meist erst vor kurzer Zeit sanierte Baudenkmale sowie archäologische Zeugnisse zugänglich gemacht. Sie werden an diesem Tag durch Fachleute, durch ehrenamtliche Vertreter von örtlichen Geschichtsvereinen oder - wenn ein Schulprojekt mit der Sanierung verbunden war - durch Schüler der Bevölkerung vorgestellt und erläutert. Befindet sich an dem Ort zugleich auch eines oder gar mehrere historisch-politische Denkmäler, können sie in diese Beschäftigung mit der Vergangenheit und ihrer Überlieferung mit einbezogen werden. So kann die Bevölkerung durch derartige Veranstaltungen nicht nur für erhaltenswerte Gebäude, sondern auch für die Zeugnisse kollektiven Erinnerns bedeutsamer Ereignisse oder Persönlichkeiten sensibilisiert werden.

Informationen

Landesdenkmalamt,

Presse und Öffentlichkeitsarbeit,

Frau Dr. Sabine Leutheußer-Holz,

Tel.: 0711/1694-545
 

 


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